Linksradikale kein Problem

Antifa ist schwer aktiv, Studis studieren lieber, Krieg und Sozialabbau kein Thema mehr: Das Innenressort stellt die Entwicklung „links motivierter Straftaten“ seit 2000 vor

VON CHRISTIAN JAKOB

Der Senat beurteilt die Entwicklung linksextremistischer Straftaten im Land als „unkritisch“. Dies geht aus der Antwort auf eine Anfrage der CDU-Fraktion in der bremischen Bürgerschaft hervor, die in diesen Tagen veröffentlicht wurde. Demnach kam es seit Anfang des Jahrzehnts zu etwa 500 „politisch motivierten Straftaten links“.

Zieht man die darin enthaltenen Sachbeschädigungen ab, bleiben 306 Aktionen über. Die CDU hatte die Anfrage gestellt, weil Bremen im Bundesländervergleich 2006 an erster und 2007 nach G8-Gipfelgastgeber Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg an dritter Stelle bei den linksradikalen Straftaten lag.

Damit liegt Bremen einwohnerzahlbereinigt noch vor der Hauptstadt, in der es mehrfach zu Serien politisch motivierter Brandanschläge kam. Das war in Bremen aber nicht der Fall: Nur fünf Mal wurde seit 2002 aus Protest irgend etwas von Linken verbrannt oder gesprengt, zuletzt 2006. Weiter wurden 45 Fälle von Körperverletzung erfasst, davon fast die Hälfte 2006.

Im Vergleich der Politikfelder hat die Antifa laut Senatsstatistik zweifelsfrei den Vogel abgeschossen. 177 der 402 thematisch zugeordneten Aktionen gingen auf ihr Konto – mit steigender Tendenz: Sahen sich die Behörden 2002 erst neun Mal wegen antifaschistischer Aktionen zu Ermittlungen veranlasst, waren es 2007 genau zehn Mal so viele Delikte.

Mit weitem Abstand auf die Nazis folgen „Wahlen und Sicherheitsbehörden“ als Ziele linksradikaler Aktionen. 89 Mal bildeten Angriffe auf sie den Anlass für Ermittlungen. Der drastische Anstieg 2006 und 2007 in diesen beiden Bereichen ist laut Senat „mit der Landtagswahl und der Demonstration gegen Rechts erklärbar“.

Die Bremer Studierenden zeichneten sich dagegen nicht durch besondere Renitenz aus. In den Jahren des Studiengebührenprotestes von 2004 bis 2006 wuchs die Zahl der Straftaten im Rahmen von Bildungsprotesten lediglich von null auf vier. Im Jahr der Auseinandersetzung um den Hochschulentwicklungsplan V, also 2007, gab es keine einzige registrierte Straftat aus diesem Anlass.

27 Mal wurden AntimilitaristInnen zu Beginn des Irak-Krieges 2002 und 2003 aktiv. Seitdem wurde in der Rubrik „Militär/Krieg“ keine Straftat mehr registriert.

Auch die effektivere Abschottung der EU-Grenzen und die deshalb sinkenden Flüchtlingszahlen haben sich in der Kriminalitätsstatistik niedergeschlagen. Waren 2002 und 2004 „Abschiebungen und Unterbringung von Asylbewerbern“ noch Anlass für fünf beziehungsweise vier Straftaten, hat diese Thematik seither keine Rechtsverstöße mehr provoziert.

Eine von den politischen Diskussionen offenkundig überholte Rasterung legen die Behörden im Bereich „Antiimperialismus“ zugrunde, dem die Gebiete „Globalisierung“, „Antikapitalismus“ und „Antiamerikanismus“ als Unterkategorien zugerechnet werden. Doch trotz dieser äußerst breiten Fächerung sind hier seit 2002 nur 31 Vorfälle verzeichnet, davon 11 im G8-Gipfeljahr 2007.

Die Einführung von Hartz IV hat dagegen 2005 zu einer kurzen Spitze von acht „Anti-Sozialabbau-Straftaten“ geführt. Seither ist es auch dort still. Angesichts dieser Entwicklungen, so schließt der Senat, sei „eine tatsächliche Zunahme linksextremistischer Straftaten nicht zu erwarten“. Entsprechend sei es „nicht notwendig“ weitere Maßnahmen zu ergreifen.