: Kräftige Kleine ohne Gewicht
Angedachte Stärkung der Bezirke stieße bei der Opposition auf Zustimmung. Weil zugleich von deren Verkleinerung die Rede ist, traut sie dem Braten nicht. Ex-CDU-Bezirkspolitiker setzen Inhalte vor neuen Gebietszuschnitt
von GERNOT KNÖDLER
Die Überlegungen Ole von Beusts und seiner Berater, die Bezirksverwaltung zu reorganisieren, könnten auch von den Oppositionsparteien SPD und GAL mitgetragen werden, sofern dabei den Bezirken eindeutige Kompetenzen zugesprochen würden. Auf Skepsis stößt jedoch die Idee, aus den sieben Bezirken 15 bis 20 „Bürgerämter“ mit eigenen Parlamenten und Verwaltungschefs zu machen. „Eine Stärkung der Bezirke an einen schon oft diskutierten Neuzuschnitt zu koppeln, bedeutet erfahrungsgemäß, dass die Stärkung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben wird“, warnte Jan Quast von der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik (SGK). Außerdem dürfe man die Bezirke nicht neu schneiden, um die Mehrheiten zu ändern.
Das Verhältnis zwischen der kommunalen und der Landesebene klarer zu strukturieren, wird seit Jahren diskutiert. Zuletzt ist das Bezirksverwaltungsgesetz 1997 zugunsten der Bezirke reformiert worden. Der alte Senat aus CDU, Schill-Partei und FDP beschloss im Mai 2002 eine Entflechtung der Zuständigkeiten der Bezirke und der Fachbehörden. Stellvertretend für seine Kollegen aus den sechs anderen Bezirken schätzte der Bergedorfer Amtsleiter Christoph Krupp (SPD) den Verlust der Bezirke bei diesem Tausch auf 420 Stellen. Bis Ende Januar sollte Bezirkssenator Roger Kusch (CDU) weitere Reformvorschläge prüfen.
Das Thema mit der größten Brisanz dürfte die Abschaffung der Dreistufigkeit der Verwaltung sein. In einer Rede vor dem Übersee-Club fragte von Beust im September: „Was spricht eigentlich gegen eine einheitliche kommunale Ebene, die nicht mehr – wie bisher – aus sieben Bezirken und über 20 Ortsämtern, sondern – um Bürgernähe zu gewährleisten – nur aus 15 bis 20 Bezirken besteht?“
Martin Schmidt, alter Hase der GAL in Verfassungsfragen, antwortet: „Wenn wir mehr Bezirke hätten, würde es weit mehr Dinge geben, die der Senat entscheidet.“ Es würden Fragen auftauchen, die zwar ein Bezirk Altona aufgrund seiner Größe alleine entscheiden könne, nicht aber zwei getrennte Bürgerämter Altona und Elbvororte. Das Argument der Dreistufigkeit bezeichnet Schmidt als Quatsch: „Es gibt nicht viele Verwaltungsakte, die dreistufig sind.“ Schmidt: „Mir fehlt der Glaube, dass es wirklich eine Verlagerung der Kompetenzen nach unten geben soll.“ Vielmehr sei zu befürchten, dass der Senat die Macht der Bezirke nach dem Motto „teile und herrsche“ verringere.
Die Versuchung istgroß, da die CDU mit ihrer absoluten Mehrheit ganz einfach das Bezirksverwaltungsgesetz ändern und dabei mit den Bezirken nach Gutdünken verfahren könnte: auflösen, neu schneiden, Kompetenzen geben und nehmen – alles ist drin. Allerdings haben die Christdemokraten versprochen, die Rolle der Bezirke zu stärken.
Das begänne mit einer Aufnahme der Bezirke in die Verfassung. Es könnte sich fortsetzen darin, dass ein von der Bezirksversammlung gewählter Bezirksamtsleiter auch ernannt werden muss und darin, dass die Bezirke für das Handeln der Verwaltung vor Ort zuständig wären, während die Fachbehörden die Richtlinien vorgäben, wie es die SPD vorschlägt.
Kai Voet van Vormizeele, ehemaliger CDU-Fraktionschef in Hamburg-Nord und frisch gekürter Bürgerschaftsabgeordneter, findet, „dass man in Hamburg die Angewohnheit hat, viele Aufgaben zwei- und dreimal zu lösen“. Überflüssig sei etwa die Rechtsprüfung, der von Bezirken gefertigte Bebauungspläne in der Baubehörde unterworfen würden. Das führe nur dazu, dass der Verfahrensablauf im Vergleich zu anderen Bundesländern ungewöhnlich langwierig sei.
Im Haushaltsrecht plädiert die CDU dafür, den Bezirken Globalsummen zu überweisen. Für welche Aufgabe sie wie viel dieser Summe ausgeben, könnten die Bezirksparlamente dann selbst entscheiden. Bisher schreiben ihnen das im wesentlichen die Fachbehörden vor. Dieser Zustand ist für die Initiative „Mehr Bürgerrechte“ ein Skandal. „Wir wählen Bezirksversammlungen, die keine echte Entscheidungskompetenz haben“, kritisiert deren Sprecher Manfred Brandt. Vielleicht werden ja die 17 Wahlkreise, die die Initiative mit ihrem neuen Wahlrecht vorschlägt, die Bezirke von morgen.