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Archiv-Artikel

„Kultusminister nehmen auch ‚schmutziges Geld‘ “

Warum der Streit um Eliteuniversitäten vor allem einer um die Existenzberechtigung der Länderkultusminister ist. Der Hochschulforscher Peer Pasternack findet: Die Initiative des Bundes für Spitzenunis macht Kultusminister überflüssig. Und sie ist Unsinn, weil sie nicht die Besten einer Disziplin fördert

INTERVIEW CHRISTIAN FÜLLER

taz: Die SPD hat die Idee, Spitzenunis mit Extrageldern des Bundes aufzumöbeln. Dagegen stänkern die Kultusminister schon wieder. Warum?

Peer Pasternack: Ist das so schwer zu verstehen? Die Kulturhoheit ist, neben ein paar verstreuten Möglichkeiten in der Steuer- und Innenpolitik und der Blockademacht im Bundesrat, das Einzige, was den Ländern noch bleibt. Wenn der Bund versucht, in diese Kernzuständigkeit für Schule und Hochschule hineinzuregieren, muss es immer zum Konflikt kommen.

Jetzt haben die Kultusminister ein Gegenkonzept zu Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) verfasst. Die will ihre Elitemillionen direkt an Unis überweisen …

… die SPD-Idee ist Unsinn. Keine Hochschule ist durch alle Fächer hindurch Spitze.

Sagt sie doch gar nicht. Bulmahn will nicht jede Uni vom Pförtner bis zum Präsidenten fördern. Sie will Spitzenunis als organisatorische Einheiten stärken. Die Länder dagegen wollen Elitenetzwerke mit so genannten Exzellenz-Clustern drin. Ist diese Unterscheidung sinnvoll? Oder ist sie konstruiert – damit die Kultusminister Rabatz machen können?

Ich finde, die Argumentation hat einen rationalen Kern. Die Forschung an den Hochschulen soll gestärkt werden, das ist das allgemein anerkannte Ziel. Wenn man das will, dann muss man nicht die Besten einer einzigen Universität fördern, sondern selbstverständlich alle Besten, die aber übers ganze Land verstreut sind. Konkret könnte das so aussehen, wie die Kultusminister es vorhaben: die besten Fachbereiche der jeweiligen Disziplin vernetzen und dadurch die eher lockere Kommunikation unter ihnen durch ein gemeinsames Programm verdichten.

Ja, sorry, aber solche Sonderforschungsbereiche gibt es doch längst. Da hätte es der neuen Elite-Idee nicht bedurft.

Klar. Wir betreiben auch heute schon Spitzenforschung, nicht nur in den Sonderforschungsbereichen. Die Max-Planck-Gesellschaft, einige Fraunhofer-Institute oder die Helmholtz Großforschungszentren, das ist im Grunde alles als spezielle Eliteförderung zu bezeichnen.

Ist die Debatte etwa für die Katz?

Nein, denn diese Formen der Eliteförderung haben einen entscheidenden Mangel: Alles fließt in die Forschung – die Lehre, die Ausbildung in den Unis hat davon gar nichts.

Auch ein „Netzwerk“ löst dieses Problem nicht. Und es hat einen weiteren Mangel. Unis als Leuchttürme können exzellente Forschung und Lehre weithin sichtbar machen. Wir können aber nicht erkennen, wie und wo Netzwerke herausragen.

Es mag sein, dass man Leuchttürme eher wahrnimmt und dass man sich in Netzwerken eher verheddert. Aber Leuchtturm-Unis haben eben den Nachteil, dass sie andere Hochschulen in den Schatten stellen. Das dürfte der Grund sein, warum etwa die SPD-Länder den Vorschlag Bulmahns nicht gut finden: weil dadurch eine zusätzliche Trennung von Hochschulen mit guter und weniger guter Ausstattung geschaffen würde.

Worin besteht die schon existierende Trennung?

Bisher gibt es Universitäten und es gibt Fachhochschulen – das macht auch die Stärke des deutschen Hochschulsystems aus. Denn diese Struktur erlaubt es, bis in den letzten Winkel der Republik akademische Ausbildung anzubieten. Die Abschlüsse sind in Ostfriesland genauso wie in Mittelhessen erreichbar – und sie sind gleichwertig. Die neue Differenzierung in gut und schlecht birgt allerdings die Gefahr, dass Standorte schließen müssen.

Warum? Es soll doch frisches Geld fließen. Die Länder dürften ihre Mittel natürlich im Gegenzug zu den Elitezuschüssen des Bundes nicht kürzen.

Moment mal. Es hat noch niemand gesagt, woher das viele Geld kommen soll, das Frau Bulmahn versprochen hat. Angeblich sollen es ja nicht aus dem Etat der Bildungsministerin genommen werden.

Wäre das denn okay? Oder wäre es dann immer noch dirty Bundesmoney?

Es wäre okay. Und ich glaube, es wäre den Kultusministern ziemlich gleich, ob es „schmutziges Geld“ wäre. Hauptsache, sie kriegen es! Länderkultusminister sind korrumpierbar.

Aber es wäre nicht okay, wenn das Geld aus dem Hochschulbau abgezweigt würde?

Ja, das wäre schlecht. Weil jetzt schon die Dachrinnen nicht erneuert werden können und wir insgesamt eine Verrottung der Bausubstanz haben.

Die Länder kritisieren praktisch alles am Elite-Programm des Bundes – auch die Art des Geldverteilens. Frau Bulmahn will gerne einen Topf mit Geld auf den Tisch stellen, für den sich die Hochschulen direkt bewerben können …

… was die Kultusminister niemals gut finden können. Weil sie dann jeglicher Einflussnahme beraubt wären, sie wären unwichtig. Das finden die Minister logischerweise nicht schön. Wer will sich schon für überflüssig erklären lassen?

Ist der Wettbewerb ums Geld wenigstens für die Unis gut?

Für die Hochschulen wäre das nichts Neues. Die sind es gewohnt, sich mit speziellen Konzepten um Geld zu bewerben. Das übliche Problem, das dabei existiert, ist die Wettbewerbsverzerrung, die manchmal eintritt durch Kartelle von Gutachtern und Unis oder durch Monopolbildung.

Ist das beim Elite-Contest zu befürchten?

Eigentlich nicht, denn der Auswahlprozess dürfte unter starker öffentlicher Beobachtung stehen. Da könnte die Ministerin übrigens wirklich innovativ sein, wenn sie mal exemplarisch vorführt, wie man das Unorthodoxe durch einen Wettbewerb auswählt.

Wie das?

Es gibt zwei Wege: Es dürfen sich nicht die arrivierten old boys der Wissenschaft die Gelder gegenseitig zuschanzen, das heißt, die Auswahl-Jury sollte auch mit jüngeren Wissenschaftlern besetzt sein. Und es sollte strikte Internationalität herrschen. Wenn beides für die Jury gilt, wäre das wirklich gut.

Muss man, wenn man die Hochschulen für Eliteförderung auswählt, das Gleiche bei den Studenten tun?

Nein, man muss die Studenten nicht auswählen, das ist bei der extrem sozial vorsortierten Studentenschaft nicht notwendig.

Wozu dann die Differenzierung der Hochschulen?

Damit die Studenten wählen können. Die Angebote der Hochschulen müssen dazu stärker ausdifferenziert werden. Aber sie dürfen nicht, wie es im Moment im Zuge der Bachelor-Einführung aussieht, entwissenschaftlicht werden.

Aber es will doch nicht jeder Student Professor werden?

Natürlich nicht. Aber jeder Student sollte einmal Kontakt zur Wissenschaft bekommen. Und zwar ohne Verwertungsdruck. Meiner Ansicht nach müsste das Studium in zwei Richtungen verwissenschaftlicht werden. Zum einen sollten die Fachhochschulen weg von der Verschulung hin zu mehr wissenschaftlichem Anspruch – bei Beibehaltung der bei ihnen üblichen Anwendungsorientierung. Dann könnte man dort endlich die angezielten 40 Prozent eines Jahrgangs studieren lassen. Und die Unis müssten zeigen, dass auch der Dreijahres-Bachelorstudiengang erkennbar wissenschaftsgebunden organisiert werden kann.

Lassen Sie uns zum Grundproblem zurückkommen: Die Länder lassen ihre Hochschulen, die ihnen angeblich so wichtig sind, verkümmern …

… das stimmt.

Warum tun die das?

Der Bund macht es nicht anders. Er hat hunderte Millionen von Schulden bei den Bundesländern, weil er mit der Zahlung seiner Raten für den Hochschulbau in Rückstand ist.

Bleiben wir mal bei den Ländern, die schreien ja am lautesten, dass Hochschulen ihr Job sind. Die Länder haben sich vor 30 Jahren entschlossen, die Unis zu öffnen. Warum haben sie versäumt, die Hochschulen adäquat mit Lehrpersonal auszustatten?

Man dachte damals, man könnte den so genannten Studentenberg untertunneln. Nun muss man seit einiger Zeit feststellen, dass dieser angebliche Berg nur das Vorgebirge für ein Hochplateau war. Dessen Höhe liegt heute bei knapp 2 Millionen Studierenden – und niemand von Einfluss ist mehr der Ansicht, dass wir zu viele Studenten hätten. Für die Kultusminister macht dieser Problemstau allerdings die Position in ihren Kabinetten besonders schwer.

Warum?

Weil man eine Finanzierungslücke von 10 Milliarden Euro, die es an den Hochschulen gibt, nicht mal so eben stopfen kann. Nicht in einer, auch nicht in zwei Wahlperioden. Den anderen Kollegen am Kabinettstisch leuchtet zudem überhaupt nicht ein, warum mehr in Bildung investiert werden sollte. Die sagen in der extrem durchpragmatisierten Sichtweise, die Politiker nun mal pflegen: „Ach Gott, es geht ja auch so. Die Unis wursteln sich schon irgendwie durch.“

Die Kultusminister sind also gerade deshalb im Bund so laut, weil sie zu Hause in den Landesregierungen nichts zu bestellen haben?

Das klingt doch psychologisch plausibel.

Vielleicht sollten die Kultusminister mal die Verfassung mit ins Kabinett nehmen und ihren Ministerpräsidenten zeigen, wozu Gott und die Verfassungsväter sie eigentlich erschaffen haben: Damit sie sich um Bildung und Forschung kümmern!

Ja, immer die Verfassung unterm Arm tragen, das könnten die Kultusminister tun. Aber das würde ihre Ministerpräsidenten vermutlich ermüden.

Letzte Frage, Entschuldigung, das muss sein: Könnten Studiengebühren die Finanzsituation der Unis verbessern?

Glaube ich nicht. Studiengebühren würden den Hochschulen nur dann ein bisschen was bringen, wenn man vor den Finanzministern verheimlichen könnte, dass sie erhoben werden. Und das wird, vermute ich, nicht so einfach sein.