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: Schmusekurs im historischen Krieg

Bayern München bestreitet üble Machenschaften, muss jedoch heute in Madrid mit einem unfreundlichen Empfang rechnen

Irgendwann ging den Bayern-Verantwortlichen auf, dass es möglicherweise nicht klug ist, vor dem heutigen Achtelfinal-Rückspiel in der Champions League im Bernabeu-Stadion (20.45 Uhr/Sat.1) allzu viel Öl ins Feuer des Madrider Bayern-Hasses zu gießen. Mitnichten habe man etwas gegen Real Madrid, ließen die Verantwortlichen des Münchner Klubs verlauten, im Gegenteil, man sei den Königlichen in großer Freundschaft zugetan. Als Beweis wurde angeführt, dass man ja sogar einen Blumenstrauß geschickt habe, als Reals Sportdirektor Jorge Valdano vor einigen Monaten mit einem Magenleiden im Krankenhaus lag. Solche Reminiszenzen erinnerten ein wenig an den Schmusekurs, den die Bayern vor dem Hinspiel gepflegt hatten, als Vizepräsident Rummenigge die Chance eines Weiterkommens gegen Real demütig auf zehn Prozent bezifferte und Manager Uli Hoeneß nicht nur Valdano über den grünen Klee lobte, sondern auch den einst herbe geschmähten David Beckham.

In Madrid bissen die Bayern mit ihren Anbiederungsversuchen allerdings auf Granit. Als „historischen Krieg“ hatte die spanische Presse das Verhältnis schon im letzten Jahr bezeichnet, als Hoeneß den Beckham-Transfer „Affentheater“ nannte und Michael Ballack nibelungentreu behauptete, kein europäischer Verein reiche an die Bayern heran. Uli Hoeneß wurde als „King Kong“ karikiert und als jemand bezeichnet, der „mit der Zunge offensiver ist als in seiner erfolgreichen Etappe als Spieler“.

Die Ereignisse der jüngsten Zeit haben nicht dazu beigetragen, Misstrauen und Abscheu in Madrid abzubauen. In Spaniens Hauptstadt ist jeder überzeugt, dass die Münchner hinter der Sperre für Roberto Carlos stecken, auch wenn diese jegliche Mittäterschaft vehement bestreiten. „Sie haben einen Stein geworfen und jetzt verstecken sie ihre Hand“, sagte Real-Trainer Carlos Queiroz und kündigte an: „Wir werden uns auf dem Platz revanchieren.“ Auch die Beschwerde bei der EU über den Grundstücksverkauf, der Real reich gemacht hatte und bei dem die Stadt Madrid einen überhöhten Preis gezahlt haben soll, wird in Spanien umstandslos europäischen Konkurrenzklubs wie Manchester und Bayern zugeschrieben. Was ziemlich glashausmäßig wäre bei einem Verein, dessen eigene Büros wegen Unregelmäßigkeiten bei einem Stadionbau durchsucht werden, und gegen den ebenfalls eine EU-Beschwerde lief, weil die öffentliche Hand die komplette Verkehrsanbindung für ein Stadion bezahlt, das fast ausschließlich den Interessen zweier Profiklubs dient.

Etwas dubios ist tatsächlich die Sperre von Roberto Carlos. Und dass deutsche Boulevardzeitungen damit protzen, bei der Uefa angerufen und diese veranlasst zu haben, macht die Sache nicht besser. Unzweifelhaft hatte der Brasilianer dem Bayern-Verteidiger Demichelis zwar gebremst, aber deutlich ins Gesicht geschlagen, nachdem dieser ihn gefoult und, wie der Real-Spieler sagt, beleidigt hatte. Doch nachträgliche Bestrafungen mittels Fernsehbeweis sind in den Uefa-Regeln ausdrücklich für „schwere Vergehen“ vorgesehen, nasenbrechende Ellenbogenchecks oder rüde Tritte hinter dem Rücken des Schiedsrichters etwa. Zwar sagte der Norweger Hauge, er hätte Roberto Carlos Rot gezeigt, wenn er den Schlag gesehen hätte, doch viele Referees belassen es bei solchen, durchaus häufigen Rangeleien bei Gelb für beide Akteure. Zu groß ist die Gefahr, den zu bestrafen, der am offensichtlichsten reagiert, aber nicht den, der die Sache möglicherweise provoziert hat. Absurd in jedem Fall, dass Roberto Carlos für zwei Spiele gesperrt wurde, Manchesters Roy Keane, der die rote Karte bekam, weil er absichtlich auf den am Boden liegenden Porto-Torwart Baia getreten hatte, als er vermeintlich über ihn hinwegsprang, aber nur einmal pausieren muss.

Ein feindseliger Empfang im Bernabeu ist den Bayern heute jedenfalls gewiss, trotzdem haben sich die Vorzeichen verkehrt. Während die Münchner vor Selbstbewusstsein strotzen und ihre Erfolgschancen nach dem Kahn-induzierten 1:1 im Hinspiel inzwischen kühn mit 50:50 beziffern (Willy Sagnol), war Real-Trainer Queiroz das allgemeine Gejammer über das Fehlen von Roberto Carlos und dem verletzten Ronaldo gar nicht lieb: „Das klingt ja, als suchten wir schon Entschuldigungen für ein Ausscheiden.“ Und darüber würde die Madrilenen wohl nicht mal ein Blumenstrauß von den Bayern hinwegtrösten. MATTI LIESKE