Zurück unter den Schleier

Unter in Hamburg lebenden AfghanInnen wächst die Sorge, dass sie in eine unsichere Zukunft abgeschoben werden. Ausländerbehörde drängt zur Ausreise. Innenministerkonferenz berät in dieser Woche über die Ausweisung von Flüchtlingen

von ELKE SPANNER

Das Auswärtige Amt warnt auf seiner Internetseite eindringlich vor Reisen nach Afghanistan: „Es bestehen hohe Sicherheitsrisiken.“ Trotzdem fürchten die in Hamburg lebenden AfghanInnen, dass die Konferenz der Innenminister von Bund und Ländern (IMK) diese Woche auf ihrer Sitzung in Leipzig entscheiden wird, die Flüchtlinge auszuweisen – und gewaltsam abzuschieben. In diesem Fall, sagt Rafiq Shirdel, Vorsitzender des Hamburger Dachverbandes afghanischer Vereine, „gehen die Leute in eine ganz unsichere Zukunft“.

Schon jetzt würden AfghanInnen auf der Ausländerbehörde zur Ausreise gedrängt. In der Öffentlichkeit sei seit dem Ende der Kriegshandlungen in Afghanistan der Eindruck entstanden, dass die Demokratisierung weit fortgeschritten sei. Das Land aber ist noch keinesfalls befriedet, wie auch das Auswärtige Amt resümiert.

Zwar sei die Hauptstadt Kabul angesichts der internationalen Schutztruppe tagsüber relativ sicher. Nachts aber komme es weiterhin zu Schießereien und anderen Gewaltverbrechen. Und was außerhalb Kabuls geschehe, stehe ohnehin auf einem ganz anderen Blatt: „Kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Milizführern haben in letzter Zeit wieder zugenommen. Die Sicherheitskräfte der Transnational Authority sind nicht in der Lage, Ruhe und Ordnung zu gewährleisten.“

Nasrin Moffet vom Rat afghanischer Frauen in Hamburg widerspricht insbesondere der im Westen verbreiteten Ansicht, die Situation von Frauen sei durch die Vertreibung des Taliban-Regimes besser geworden: „Afghanische Frauen haben nicht mehr Rechte als Tiere“, sagt sie: „Die Menschen dort haben sich nicht von einem Tag auf den anderen geändert. Ihre Köpfe und Gedanken sind noch die alten.“

Auch Ilse Schwartz vom Netzwerk Afghanistan-Info sagt, dass vielleicht in Kabul Frauen zumindest etwas ihren Schleier lüften können, „wenn sie sich trauen“. Schon in den Vororten aber nicht mehr. Denn die Männer in Afghanistan seien die gleichen geblieben: „Sie achten Frauen nicht“, und Vergewaltigungen seien „an der Tagesordnung“.

Viele in Hamburg lebende AfghanInnen, die sich für die dortige Demokratisierung eingesetzt hätten, stünden auf Todeslisten. Schwartz appelliert an die Behörden, zumindest gründlich zu differenzieren, welchen Flüchtlingen bei einer Rückkehr akute Gefahr droht.

Zu den Gefahren für die Sicherheit komme die Schwierigkeit der Flüchtlnge, sich eine Lebensgrundlage zu schaffen. Darauf hat Marga Flader vom „Verein zur Unterstützung von Schulen für afghanische Flüchtlingskinder“ in einem Brief an Bürgermeister Ole von Beust (CDU) hingewiesen. Im vorigen Jahr seien bereits rund zwei Millionen Flüchtlinge aus Pakistan und dem Iran nach Afghanistan zurückgekehrt. Da es nicht genügend Unterkünfte gebe, müssten viele wieder in Lagern außerhalb von Kabul oder in Ruinen leben. Schon deren Integration sei ausgesprochen schwer.

Deshalb appelliert sie an von Beust, „Afghanen in nächster Zeit nicht abzuschieben, sondern darauf zu setzen, dass sie freiwillig zurückkehren.“ Ihre Überzeugung ist: „Sobald sie eine Möglichkeit dazu sehen, werden sie es auch tun.“