Erbaulich marschiert

Am Stadttheater Osnabrück gestalten die Choreographen Rami Levi und Gregor Zöllig einen Tanztheaterabend mit den beiden Stücken „Pars pro Toto“ und „Marsch“ und haben Spaß!

„Wir haben Spaß!“ deklamieren hell gekleidete Gestalten, die sich gerade aus einem Körperpulk gelöst haben. Weniger heitere Feststellung als vielmehr trotzige Forderung scheinen die kraftvoll gesprochenen Worte zu sein. Denn Spaß hat hier offenbar niemand. Weder die Menschen, die in imposanter Kulisse agieren, noch das Publikum, das gebannt das Geschehen verfolgt: Beklemmend, befremdlich, in den seltensten Momenten wohlig wirkt dieses rauschartige Auf- und Abtreten von Menschen, das unter dem Titel „Marsch“ im Osnabrücker Stadttheater dargeboten wird.

Choreographiert hat „Marsch“ der Chef des Osnabrückers Tanztheaters, Gregor Zöllig. Vor den innerlich aufrüttelnden Aktionen seiner modernen Marschmenschen bietet der Abend einen Kontrapunkt: „Pars Pro Toto“ heißt das Stück von Zölligs israelischem Kollegen Rami Levi – eine deutsche Erstaufführung.

Levi lässt Zölligs Compagnie zunächst kraftvoll starten: Brustkörbe und Beckenknochen klatschen vehement auf‘s Parkett. Im weiteren Verlauf entwickelt sich das Geschehen allerdings zu einer feinsinningen, harmonischen Darbietung für Tanz-Connoisseure.

Mensch und Kosmos, der Einzelne im Gemeinwesen, das Individuum und seine Verantwortung für die Gesellschaft das sind die Themen, die an dem zweiteiligen Tanzabend visualisiert werden. Rami Levis deutsche Erstaufführung “Pars pro Toto“ ist sparsam, doch effektvoll von der Lichtregie in Szene gesetzt zur Musik von Antonio Vivaldi. Ein Solo, ein Duett, plötzlich queren zwei Frauen auf Fahrrädern die Bühne, dann demonstriert die ganze Truppe Körperkommunikation, ohne tatsächlich zueinander zu finden.

Distanz, Suggestion, Ausgrenzung – Assoziationen schwirren wild durch den Kopf, während die Augen des Betrachters den fließend interagierenden Körpern folgen. Klassik und Moderne gehen zusammen, Fred Astaire, Gene Kelly – Einflüsse von Levis Vater – und Martha Graham treffen aufeinander. Rami Levi, der bereits in Spanien, Portugal, Brasilien und auf den Phillipinen arbeitete, bietet Labsal für die Sinne.

Impulsiv, aggressiv dann Zölligs „Marsch“. Sein zehnköpfiges Tanz-Team stockte er um mehr als 25 Komparsen auf, die wie aufgescheuchte Kohorten durch eine Art Tunnel zwischen zwei U-Bahn-Stationen treiben. Auch hier stellen sich Einzelne gegen den Strom, versuchen, ihre Mitmenschen zu beeinflussen. Eine radikale Wende allerdings misslingt.

Dramatische Soli, Körperperkussion zu den Trommeln von „Les Tambours de Bronx“, ansonsten statt Marschmusik Klassisches von Bach und Neues von Arvo Pärt: Zöllig vermeidet Klischees. Sein „Marsch“ wirkt wie ein Sog, aufwühlend und mitreißend. Tom Bullmann

nächste Aufführungen: 12., 14., 17. und 21. März, jeweils 19.30 Uhr