: EU-Lok ohne Polen
Frankreich glaubt nicht an Zukunft des Weimarer Dreiecks. Polen und Deutschland sehen Entwicklungschancen
WARSCHAU taz ■ Polen springt nicht auf die deutsch-französische „EU-Lokomotive“ auf. Davon sind französische Diplomaten in Warschau überzeugt. Zwar sieht die „Gemeinsame Erklärung“, die die Staatschefs Frankreichs und Polens, Jacques Chirac und Aleksander Kwaśniewski sowie der deutsche Kanzler Gerhard Schröder am Freitag in Wrocław unterzeichneten, eine intensivere Zusammenarbeit vor. Doch während Deutsche und Polen die „neue Qualität“ in den zukünftigen trilateralen Beziehungen loben und dem „Weimarer Dreieck“ eine große Zukunft in der EU voraussagen, winken die Franzosen ab. Für sie ist die Bedeutung des Dreiertreffens gesunken.
Ohnehin hatte das Forum für die Franzosen nie die Bedeutung wie für Deutsche und Polen. Während die Deutschen aus dem Gefühl der Wiedergutmachung für den Zweiten Weltkrieg sowie aus wirtschaftlichem und politischem Interesse Polen den Weg in die EU erleichtern wollten, stand Frankreich der deutsch-polnischen Annäherung misstrauisch gegenüber. Die Pro-US-Kriegspolitik Polens hat diese Haltung Frankreichs verstärkt.
Doch auch das Verhältnis der Deutschen zu ihrem östlichen Nachbarn ist abgekühlt. Viele Politiker glaubten, ein Vertrauensverhältnis aufgebaut zu haben – ein Irrtum. Seit US-Präsident George W. Bush Polen „den besten Freund Amerikas in Europa“ nannte, scheint Polen die Freundschaft zu Deutschland und Frankreich als eine Einschränkung seiner außenpolitischern Freiheit zu empfinden. Polen will eine „souveräne“ Außenpolitik betreiben, unabhängig von Brüssel.
Auch wenn Polen das böse Wort vom „Trojanischen Pferd Amerikas in der EU“ ungern hört, ist klar, dass für die polnischen Politiker die Beziehungen zu den USA absolute Priorität genießen. Das Land, so befürchten die französischen Diplomaten, wird der zweite große Bremsklotz in der EU neben Großbritannien sein. Die vereinbarte engere Kooperation in der EU-Landwirtschafts-, Struktur- und Verkehrspolitik gilt den Franzosen eher als ein Mittel der Schadensbegrenzung, denn als Aufwertung des Weimarer Dreiecks.
Die Ernüchterung hat aber auch ihr Gutes. Die Erwartungen an die Nachbarn und Partner sind gesunken, sodass es künftig keine größeren Enttäuschungen mehr geben dürfte. Polen aber kommt seine Freiheit teuer zu stehen. Denn in der EU gilt Polen nun als großer, aber schwieriger Partner, dem drei kleine und vertrauenswürdige Partner vorzuziehen sind. GABRIELE LESSER