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Archiv-Artikel

Total fremd

Tristan Egolf liest heute im Ambiente

Die herausfordernden Texte des 1971 in Pennsylvania geborenen Tristan Egolf handeln vom Überwältigt-werden. In seinem ersten Roman „Monument für John Kaltenbrunner“ ließ er seinen traurigen Helden an einer Kleinstadt im Corn-Belt kaputtgehen. Heute Abend liest der US-Amerikaner im Ambiente aus der grotesk verzweifelten Liebesgeschichte „Ich & Louise“

taz: John und Charly sind die Hauptfiguren Ihres Romans. Stehen sie paradigmatisch für das gegenwärtige Amerika?

Egolf: Die beiden sind von ihrer unmittelbaren Umwelt unglaublich entfremdet. Beide versuchen, für sich selbst ein wenig Ordnung in das sie umgebende Chaos zu bringen. Auch wenn ihre Bemühungen oft schmerzhaft fehlschlagen. Paradigmatisch sind eher die Orte, an denen sie leben.Was heißt das?

Baker und Philz Town sind realistische Orte, die durch die Brille des Außenseiters wahrgenommen werden. Durch den Filter ihrer randständigen Existenz entsteht eine surreale Qualität. Gerade Charly ist ein reines Nervenbündel, weil er so gar nicht weiß, wo er hingehört. Das macht ihn sehr, manchmal zu sensibel; und eine simple Begegnung auf der Straße droht zu einer Katastrophe auszuarten.

Das entspricht der Grundstimmung des Buches…

Die Atmosphäre der Texte ist düster, Gewalt und Schmutz spielen eine wichtige Rolle. Ich konzentriere mich gerne auf Dinge, Situationen, in denen viele Leute keine Komik oder Schönheit erkennen können oder wollen. Zerstörung und Verfall sind dabei doch visuell oder sprachlich nicht weniger interessant.Wo finden Sie diese Szenerien?

Früher bin ich mit einem Notizbuch herumgelaufen und habe beschrieben, was ich sah, etwa wenn ich über eine stillgelegte Fabrik ging. Philadelphia kam mir da sehr entgegen. Drei Viertel der Stadt sind wahnsinnig heruntergekommen. Viele nehmen das gar nicht wahr: Das Zentrum wird immer lieblicher – und drumherum sieht‘s aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen.

Charlys Freund Tinsel nennt ihn „China-Mix“ – Kritik an der Ideologie des ‚melting pot‘?

So wird in erster Linie sein totales Fremdsein betont. Ich saß mal mit einem Freund zusammen. Wir haben versucht, das Profil des ‚ultimativen Outsiders‘ zu erstellen. Wir dachten, dass jemand, der halb afroamerikanisch, halb kambodschanisch ist, geboren kurz nach dem Vietnam-Krieg und der als Waise in einem weißen Ghetto lebt, viel hergibt.

Fragen: Tim Schomacker

Heute, 20 Uhr, Ambiente