: „Wir können uns entspannt zurücklehnen“
Für Wolfgang Wieland (Grüne) würde Peter Kurth als CDU-Landeschef einen Neuanfang verkörpern, auch weil der Schwarz-Grün als Option betrachtet. Allerdings sei noch offen, wie die Zipfelmützenbasis der Union auf Kurth reagiert
taz: Herr Wieland, Sie sind ein langjähriger Kenner der CDU und haben maßgeblich zum Sturz der großen Koalition beigetragen. Bedeutet Peter Kurth als möglicher zukünftiger Landesvorsitzender für die CDU wirklich einen Neuanfang?
Wolfgang Wieland: Als früherer Staatssekretär im Finanzressort und später als Finanzsenator hat Peter Kurth etliches von dem mitzuverantworten, was uns in die Berliner Haushaltskatastrophe geführt hat. Aber als Typ verkörpert er für die alte westberlingeprägte CDU ohne Frage einen Neuanfang.
Was heißt das konkret?
Ein Neuanfang ist die erklärte Absicht, wieder eine liberale Berliner Großstadtpartei zu werden, wie es seinerzeit unter Richard von Weizsäcker Programm war. Und es ist auch ein Neuanfang, wenn einer wie Peter Kurth Parteichef wird, der seit zehn Jahren sagt, auch Schwarz-Grün ist eine Option.
Die Berliner CDU ist ein ziemlich konservativer Haufen. Wie groß sind Kurths Chancen, das Rennen zu machen?
Das wird sehr spannend. In den 80er-Jahren war die Situation ja eher so, dass sich eine Funktionärsgrupppe um Diepgen und Landowsky ein liberales Aushängeschild wie Richard von Weizsäcker nach Berlin geholt hat. Diesmal würde der bis dato kleine, schwache, immer in der Minderheit befindliche liberale Flügel der Berliner CDU obsiegen. Ob er es tut, werden wir sehen. Es ist spannend zu beobachten, wie sich der Schrebergarten und die Zipfelmützenbasis der Berliner CDU verhält.
Wagen Sie doch mal eine Prognose.
Fifty-fifty, tut mir leid. Wir haben immer gesagt, wenn ihr als Liberale in der CDU die Stadt verändern wollt, müsst ihr auch mal springen. Jetzt, wo sie Anlauf nehmen und springen wollen, stell ich mich doch nicht hin und sage, das wird sowieso ’ne Bauchlandung.
Spielt die CDU-Personaldiskussion bei den Grünen eine Rolle für die Frage Schwarz-Grün?
Es ist uns in letzter Zeit ganz schön auf die Nerven gegangen, dass alle bei der CDU – von Stölzl bis Steffel – die schwarz-grüne Karte gezogen haben. Das war die reinste Phantomdebatte. Deswegen gab es die Initiative zu sagen, wir wollen mal inoffiziell – Stichwort Pizza-Connection – ernsthaft reden, was geht.
Sie spielen auf ein geplantes Hinterzimmertreffen einiger Grüner mit den CDU-Mitgliedern Czaja, Zimmer, Kurth und Zeller an. Als Sie, Wolfgang Wieland, das Journalisten erzählt haben, kam vom Grünen-Fraktionsvorstand gleich ein Dementi.
Keineswegs. Volker Ratzmann hat nur noch mal richtig betont, dass es sich nie um die Idee offizieller Gespräche gehandelt hat, und Vorstandsmitglieder deshalb nie daran teilnehmen wollten und sollten. Das sollte erklärtermaßen ein informelles Treffen von Nichtamtsinhabern sein.
Was sind die größten Knackpunkte zwischen CDU und Grünen und wo gibt es Gemeinsamkeiten?
Ohne eine liberale Ausländer- und Innenpolitik ist Schwarz-Grün für uns nicht denkbar. Unsere Gemeinsamkeiten sind aus parlamentarischen Akivitäten hinlänglich bekannt: Die reichen von der Klage über die Verfassungswidrigkeit der Haushaltsaufstellung bis zum gemeinsamen Agieren bezogen auf die Risikoabschirmung.
Könnten Sie als Altlinker denn noch in den Spiegel schauen, wenn es zu einem Pakt zwischen Grünen und CDU käme?
Absurderweise wird mir diese Frage in den letzten Tagen in einem Brustton heller Empörung vor allem von Sozialdemokraten gestellt, die selber zehn Jahre in so einem Bündnis mit einem sehr negativen Ausgang für Berlin mitgemacht haben. Ich habe immer gesagt: Auch Schwarz-Grün als Option muss möglich sein. Bis dato waren die Verhältnisse in Berlin, die CDU und die handelnden Personen nicht so. Im Moment ist bei der CDU eine Umbruchsituation. Wir müssten mit dem Klammerbeutel gepudert sein, wenn wir das Ergebnis vorwegnehmen würden. Wir können uns ganz entspannt zurücklehnen und die neue Politik begutachten. Wir müssen uns gar nicht mehr auf Hinterzimmer kaprizieren.
INTERVIEW: PLUTONIA PLARRE