Bulettenavantgarde

Auf der Suche nach Berliner Haute Couture: „Der letzte Schrei“ (RBB Berlin, 22.15 Uhr)

Wer schneidert der Hauptstadt die passenden Kleider? TV-Autorin Petra Dorrmann will es wissen, hat in ihrem Film „Der letzte Schrei“ das alte Vorurteil über deutsche und vor allem Berliner Mode, die angeblich ungefähr so innovativ wie Bulette mit Brötchen ist, kräftig durcheinander gewirbelt und sich auf Laufstegen und in den Ateliers Berliner ModemacherInnen umgeschaut. Und hat nicht nur Jeanspatchwork, Bonbon-Ballkleid und Vokuhila-Passendes gefunden. Sondern eine lebendige, junge Szene ohne Geld, dafür mit Enthusiasmus.

180 Modelabels gibt es in Berlin – zur „Modemetropole“ macht das die Stadt aber noch lange nicht. Autorin Dorrmann stellt feine Mode von Uli Dziallas vor, besucht die Label „Frisch“, „Soto_Stich“, zeigt Ballkleider von Burkhard Wildhagen und reiste mit Berliner DesignerInnen nach Paris. Herausgekommen ist ein Film, der kritisch-warmherzig dem Schicksein frönt, der unterhaltsam und rechercheintensiv ein Bild von einer Stadt entwirft, die von außen vielleicht wirklich nicht nach großem Aufzug aussieht, wenn man genauer hinschaut, findet man aber fast jede städtische Entwicklung und Eigenheit in einem Teil der lebendigen Modeszene wieder. Modeköpfe wie Frank Leder nutzen Fundstücke aus historischen Episoden, um ihre ungewöhnlichen Klamotten aufzupeppen – alte Labels, DDR-Materialien sind gleichzeitig lebendige Reminiszenz und topaktuelles Accessoire. So nähern sich Berliner Modesprache und Berliner Schnauze an: gleichzeitig schnodderig und schnell, ehrlich und selten prätentiös parliert man und kleidet man sich in der Hauptstadt. Dit steht fest. Mode sei „ein Kommentar zur Kultur“, bemerkt die Autorin am Ende beiläufig, und hat damit das Schöne und Interessante am Angezogensein auf den Punkt gebracht – ob in Berlin oder anderswo. JENNI ZYLKA