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Archiv-Artikel

Die Waffe heißt Gewaltlosigkeit

Rund 200 ausländische Friedensaktivisten der ISM setzen sich in Gaza für die Rechte der Palästinenser und gegen die israelische Besatzung ein. Seit einem Selbstmordattentat vor zwei Wochen geht israelisches Militär verstärkt gegen die Organisation vor

aus Gaza SUSANNE KNAUL

Sie sind jung, vielleicht ein bisschen naiv und voller Idealismus. Die Aktivisten der International Solidarity Movement (ISM) haben sich den „gewaltlosen“ Kampf gegen die israelische Besatzung in den Palästinensergebieten zum Ziel gesetzt. Als Ausländer, so heißt es in ihrer Selbstdarstellung, sei das für sie leichter als für die Palästinenser, die, „wenn sie bei ihren Protesten alleine sind, mit harten Strafmaßnahmen der israelischen Kräfte konfrontiert werden“.

Seit knapp zwei Wochen steht die ISM indes selbst auf der Liste der Organisationen, denen die Armee besondere Aufmerksamkeit schenkt. Etwa 200 ISM-Aktivisten sind derzeit in verschiedenen palästinensischen Städten tätig. Neben Rachel Corrie, die bereits Mitte März offenbar versehentlich von einem israelischen Bulldozer überfahren wurde, erlitten zwei Amerikaner lebensgefährliche Verletzungen, ein dritter Aktivist liegt seit Mitte April im Koma. Erst am vergangenen Wochenende drangen Soldaten in das ISM-Büro bei Bethlehem ein, konfiszierten Computer und Akten und nahmen mehrere Aktivisten fest, um sie vermutlich in Kürze abzuschieben.

Grund für die jüngsten Militärmaßnahmen ist das Selbstmordattentat in der vorvergangenen Woche vor einer Musikkneipe in Tel Aviv. Der Täter war, wie ein weiterer derzeit flüchtiger Mann, dessen Sprengsatz nicht explodierte, britischer Staatsbürger pakistanischer Herkunft. Die beiden Männer nahmen Ende April an einer Protestveranstaltung des ISM in Rafach, unweit der ägyptischen Grenze, teil. Die beiden Briten waren als Touristen in den Gaza-Streifen eingereist. Bei der ISM erregten sie keinen Verdacht. Nach der Kundgebung zum Gedenken an Rachel Corrie habe es keinen Kontakt mehr zu ihnen gegeben.

„Es kommen oft Gruppen zu uns, die an Aktionen teilnehmen oder nur einen Tee mit uns trinken“, erzählt Laura Gordon, die seit fünf Wochen in Rafach lebt und sich an keinen der beiden erinnern kann. Die zwanzigjährige Kunststudentin aus Pitsburg, Pensilvania, trägt einen alten, schwarzen Kaftan, der bis auf ihre Turnschuhe reicht. „Das ist ein Geschenk der Familie, bei der ich wohne“, erklärt sie. Das Kopftuch, unter dem ein paar braune Locken hervorlugen, trage sie „aus Respekt für die Gemeinde“.

Die zierliche Aktivistin reiste vor ein paar Monaten nach Israel – auf Staatskosten. Als Jüdin nahm sie an einem Freiwilligenprogramm teil, arbeitete in israelischen Krankenhäusern und mit Familien von Terroropfern. Über einen Freund kam sie nach Rafach und entschied sich „aus Gewissensbissen“ zu bleiben und „um den Tod von Rachel zu verarbeiten“, die sie kurz vor dem Unfall oder „Mord“, wie die ISM-Aktivisten sagen, kennen lernte.

„Ich war schockiert über die Zustände“, sagt sie, über die Not der Menschen und die tägliche Gewalt. Innerhalb von nur einer Woche seien 18 Häuser und 40 Hektar Olivenhaine dem Boden gleichgemacht worden. „15 Familien haben in einer einzigen Nacht ihr Heim verloren“, sagt sie und läuft plötzlich weg, einem Mann entgegen: „Abu Machmud, wie geht es dir“, ruft sie aufgeregt in gebrochenem Arabisch. Die demonstrative Vertrautheit wirkt etwas peinlich, doch die junge Ausländerin genießt zweifellos einigen Respekt unter den „Obdachlosen“. Immerhin gelingt es ihr, die internationale Aufmerksamkeit auf das Problem zu lenken. „Ich habe eine Million Dinge am Hals, es ist, als hätten alle Journalisten der Welt beschlossen, herzukommen“, schreit sie in ihr Handy, das pausenlos klingelt. Solange sie nicht ausgewiesen wird, will sie bleiben, schließlich gebe es „noch so viel zu tun“.