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Archiv-Artikel

„Er war nie ein Held“

Torwartlegende und Managerberater Andreas Köpke hält Oliver Kahn weiter für die Nummer 1 im Nationalteam: „Er ist um Nuancen besser“. Sein Rat an Kahn? „Dem kann ich nichts mehr sagen“

INTERVIEW MAREKE ADEN

taz: Herr Köpke, 0:1 bei Real Madrid, Bayern ist raus. War es nicht ein bisschen hochmütig von Herrn Kahn zu behaupten, er würde das Champions-League-Rückspiel allein gewinnen?

Andreas Köpke: Das ist ja klar: Ein Torwart gewinnt ein Spiel nie allein. Auch wenn er 1.000 Bälle gehalten hätte, die zwei Tore hätten am Mittwoch immer noch die anderen schießen müssen.

Gerade dann ist es doch hochmütig zu sagen, dass man als Torwart ein Spiel allein gewinnt?

Das war eine Trotzreaktion. Die Urteile über seine Leistung im Hinspiel waren ja knallhart.

Hat Kahn das Achtelfinale letztlich allein verloren?

Ein Torwart verliert nie allein.

Aber sein Heldenimage, das hat er verloren?

Für mich war er nie ein Held. Ein Held ist nur jemand, der ein Menschenleben rettet. Das geht auf dem Fußballplatz nicht. Kahn war immer nur ein sehr guter Torwart, der eine tolle Leistung gebracht hat.

Manche Experten registrieren, dass Kahn häufiger in wichtigen Spielen einfache Bälle durchlässt. Wird der Druck für ihn zu groß?

Solche Spiele sind für einen Torwart immer Extremsituationen, das können Außenstehende nicht nachvollziehen. Und ob es jetzt das Qualifikationsspiel ist, das Achtelfinale oder das Endspiel, das macht eigentlich keinen großen Unterschied mehr.

Sie sprechen aus eigener Erfahrung?

Ich kenne das eher aus Abstiegskämpfen. Da weiß man dann, wenn wir jetzt verlieren, dann werden Leute in der Geschäftsstelle entlassen. Es geht dann um Schicksale von Menschen, die mit Fußball direkt nichts zu tun haben. Da ist der Druck extrem hoch.

Kahn hat fast immer nur ganz oben gespielt. Kaum droht der Abstieg, nämlich der aus der Champions League, verliert er sein Titanenimage – weil der Druck doch zu groß wird?

Nein, wenn man in der Champions League spielt, ist das eher positiver Druck. Das ist eher wie der Meisterschaftsdruck. Um es zu schaffen, strengt man sich extra an und ist froh, überhaupt dabei zu sein.

Dabei sein ist alles? Herr Köpke, ist das Ihr Ernst?

Wenn man aussteigt, ist man immer noch unter den 16 besten europäischen Mannschaften.

Trotzdem war der Druck sehr groß.

Ja, aber man steht auf dem Feld im Tor und blendet alles andere aus. 90 Minuten lang zählt nur noch das Spiel. Aber klar, jeder macht mal einen Patzer.

Wenn jeder einen Patzer macht, warum galt dann gerade Kahn als großer Held? Weil er lauter schreit als andere?

Sicher, er ist extrovertierter als andere. Aber auch die Introvertierten oder die Lässigen können zu Helden werden. Buffon …

der italienische Nationaltorwart von Juventus Turin …

… hat bestimmt ein ähnliches Image in seinem Land.

Aber: Nicht Lehmann gilt als „Titan“, sondern Kahn? Woran liegt das?

Vielleicht wollen die Deutschen auch jemanden, der so kompromisslos ist wie Kahn. Er geht sehr stur seinen Weg. Das ist schon auch beeindruckend.

Sie geben Seminare für Manager und sagen ihnen aus Fußballersicht, was man tun muss, um an die Spitze zu kommen. Und wie man im Team spielt. Was würden Sie Kahn sagen?

Dem kann ich nichts mehr sagen. Bei dem zählt nur die Leistung.

Bei Managern ja auch.

Sicher, die Leistung ist ausschlaggebend. Aber irgendwer legt es am Ende fest. Das ist die Führung. Bei Kahn sind es die Trainer Rudi Völler und Ottmar Hitzfeld. Und Kahn ist bestimmt auch deswegen so gut, weil die beiden ihm so viel Raum geben.

Noch mal: Warum kommt Lehmann nicht an die Spitze? Warum wird er kein Held wie Kahn?

Kahn ist um Nuancen besser.

Warum kämpfen die beiden dann so hart gegeneinander?

Das Problem ist, dass die beiden gleich alt sind. Wenn Kahn erst nach der WM 2006 aufhört, dann ist auch Lehmanns Zeit abgelaufen. Das weiß er, deswegen versucht er jetzt alles.

Wie war das bei Ihnen?

Als ich Nationaltorwart war, war es ganz einfach. Erst kam Illgner, dann ich, dann wurde ich zu alt. Dann kam Kahn.