silke burmester
: Ein Schrei nach Arzt und Anwalt

Weißblech ist nicht sexy. Es sei denn, „sein käuflicher Luxuskörper befriedigt auch besondere Wünsche“, wie die Werbung verspricht. Das könnte man auch in den falschen Hals bekommen. Oder sonst wohin …

„Werbung wirkt über Gefühle“ schlaumeiert das Supplement von Werben & Verkaufen, Süddeutsche Zeitung, media & marketing und Kontakter. Die Anzeige des Informations-Zentrums Weißblech e. V. jedenfalls macht genau jene Gefühle, deren es bedarf, das Hirn auszuschalten und sich gehen zu lassen. Als Mann. Für mich als Frau sieht die Sache anders aus. Ich steh hier im zugigen Flur und warte auf die Ambulanz. Neben mir wimmert mein Nachbar Jürgen. Überall Blut, Hautfetzen und leere Blechbüchsen. Nach seinem Anwalt schreit er, dabei sollte er froh sein, wenn ein Arzt kommt.

Mein Blick fällt auf das Sonderheft zum Thema Werbung neben ihm und ich beginne zu verstehen. „Kauflustobjekt“ steht neben dem Bild einer taillierten Blechdose, deren Unterbau von einem lilafarbenen Stringtanga bekleidet ist, oben prangt fett das Schild „zensiert“.

„90-60-90 statt 08/15: so sexy kann Weißblech sein!“, führt der Text aus, „Sein käuflicher Luxuskörper befriedigt auch besondere Wünsche: attraktive Oberfläche, toll in Form und extrem scharf zu bedrucken“ und als wäre so einer wie Jürgen jetzt nicht schon rattenscharf, heißt es am Ende des Stringtangas, im Schritt der Dose: „Weißblech. Offen für alles.“

Als die Notärztin da ist, greife ich mir das Heft, wische die schmierige Oberseite am Sofa ab und suche nach Erklärung „Warum, wie, wann Werbung wirkt“. Auf Seite 45 finde ich sie: „Emotional Bonding bezeichnet den Prozess der Bindung von Gefühlen an eine Person oder Gegenstand.“ Auf Seite 46 macht dann auch dem Dümmsten klar: „Es wird dem Betrachter suggeriert, dass der Mensch angenehme Gefühle durch den Besitz oder die Nutzung der beworbenen Marke erleben wird.“ Aha.

Im Angesicht der Sauerei und des wimmernden Jürgens wird mir erstmals die Verantwortung der Werbetreibenden bewusst. Es gibt Grenzen. Jürgen ist der Beweis, dass man nicht einfach einer Blechdose einen String überstreifen und dann behaupten kann, sie sei „offen für alles“. Werbung macht Gefühle. Mir auch. Jürgens Schränke sind voll von Konserven. Ich schnapp mir ein paar von den langen, schmalen Wurstbüchsen und zieh los.

Drei Stück bringe ich im Darm des Geschäftsführers des Weißblech Vereins unter. Die letzte schlage ich mit einem großen Hammer ein. Fünf Schläge brauche ich, bis sie drin ist. Jeder Hieb ein Stück der Botschaft, denn die letzte gibt’s für die Frau-en-feind-lich-keit.