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Archiv-Artikel

Reif für die Champions League

Die Angst der Bayern vor dem ebenbürtigen Gegner: Nach dem Sieg gegen Hoffenheim sind die Münchner erleichtert und wünschen sich zugleich mehr Spiele auf diesem hohen Niveau. Die Newcomer pfeifen auf Schmeicheleien und wollen den Titel

AUS MÜNCHEN STEFAN OSTERHAUS

Manchmal sagt der Gesichtsausdruck eines Menschen mehr aus als 1.000 Interviews. Als Uli Hoeneß am späten Freitagabend nach dem Match gegen die TSG 1899 Hoffenheim durch die Katakomben des Stadions schlenderte, da brauchte er nach diesem 2:1 durch Tore des Hoffenheimers Vedad Ibisevic sowie der Bayern Philipp Lahm und Luca Toni kein Wort zu sagen. Sein Grinsen, das mit breit nur unzureichend umschrieben ist, genügte. Es war die klammheimliche Freude über eine Extraportion Glück und ganz nebenbei wohl auch die Zufriedenheit über einen couragierten Auftritt seiner Mannschaft. Und natürlich die bis zur Winterpause beruhigende Gewissheit, dem Aufsteiger aus dem Südwesten in wenigen Nuancen noch ein Stück voraus zu sein.

Mit Ach und Krach hatten die Bayern Hoffenheim in der Nachspielzeit durch Tonis Treffer bezwungen. Hätte Sejad Salihovic vier Minuten zuvor nicht den glücklichen Michael Rensing im Bayern-Tor angeschossen, dann wäre der Fleischfabrikant Hoeneß auf seine alten Tage vermutlich endgültig zum Sozialisten nach eigener Definition geworden, der vermutlich am liebsten jeden enteignen würde, der mehr als ein halbes Dutzend Wurstfabriken besitzt.

Die Angst des Managers vor dem nassforschen Neuling, der in der Tabelle noch immer auf die Bayern herabschaut, muss unendlich groß gewesen sein, als er dem Kontrahenten attestierte, trotz Finanzkrise dank der „paar Euros“ vom Mäzen Dietmar Hopp konkurrenzfähig bleiben zu können. Und als Franz Beckenbauer, das nonchalante Überich des Münchner Fußball-Konzerns, die Euphorie um Hoffenheim mit der um die Bayern bei deren Bundesliga-Aufstieg in den Sechzigerjahren des letzten Jahrhunderts verglich, muss dies Urängste im Manager ausgelöst haben, der nichts mehr fürchtet als einen auch finanziell ebenbürtigen Bundesligakontrahenten.

Sportlich war der Gegner sowieso gleichwertig. Hoffenheim war in Sachen Variabilität den etwas eindimensional wirkenden Bayern sogar überlegen. Das bayrische Konzept hieß simpel „Verlagerung des gesamten Spielgeschehens auf den linken Flügel“. Dort sind sie nämlich mit Philipp Lahm, Franck Ribéry und natürlich dem fabelhaften Zé Roberto exzellent besetzt. Doch weil Andreas Beck gegen Ribéry eine Leistung zeigte, die dem Prädikat Weltklasse gerecht wurde, stach der größte Trumpf der Bayern kaum, und Becks Einschätzung zeugte von einer tadellosen Arbeitsauffassung: „Es hat Spaß gemacht, gegen Ribéry zu spielen.“ Dem Siegtreffer ging demzufolge auch kein Solo des flinken Franzosen, sondern ein Fehler des Verteidigers Andreas Ibertsberger voraus, den Toni eiskalt ausnutzte.

Sehr geschmeichelt haben dürfte den Unterlegenen vor allem die Einschätzung des niederländischen Internationalen Mark van Bommel. Der meinte nicht nur, dass ein Sieg des Außenseiters locker drin gewesen wäre, sondern er umriss gleichzeitig noch die Großwetterlage der Liga: „Solche Spiele wie dieses bringen uns weiter, so wie die Spiele in der Champions League.“ Man müsste häufiger in der Bundesliga auf Gegner von diesem Format treffen, um sich für das hohe Niveau des internationalen Wettbewerbs fit zu halten. Van Bommel tat indirekt nichts anderes, als dem Hopp-Projekt die nötige Reife für die Champions League zu attestieren. Und wenn man bedenkt, welche Summen mittlerweile schon im Mittelmaß der Liga bewegt werden, dann darf man sich auch fragen, womit der eine oder andere Manager seine Zeit verbringt. Mitaufsteiger Mönchengladbach beispielsweise ist in dieser Verfassung ein todsicherer Abstiegskandidat – und galt vor Monaten noch den Hoffenheimern als überlegen.

Hohes Anspruchdenken hat sich mittlerweile auf die gesamte Mannschaft übertragen. In München trat ein Team in der felsenfesten Absicht an, das Spiel zu gewinnen. Dass Rangnick hinterher „brutal enttäuscht“ war und von der Meisterschaft nicht reden, sondern sich „der Weiterentwicklung unserer Mannschaft“ widmen wollte, mag angesichts dieses Auftritts als bloße Tiefstapelei erscheinen. Demba Ba formulierte nach dem Spiel, was der Hoffenheimer Maßstab ist: „Herbstmeisterschaft ist nix. Titel ist was.“