: Schritt hin zum Verursacherprinzip
Das Europäische Parlament stimmt heute über eine Richtlinie zur Haftung bei Umweltschäden ab. Nach Ansicht von Sozialisten und Grünen hat diese noch Lücken: Probleme wie Öltankerhavarien und AKW-Unfälle bleiben zunächst ausgeschlossen
aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER
Einen „schlechten Witz“ nannte die europäische Umweltorganisation „Friends of the Earth“ die Meldung, dass der Internationale Fonds für Ölverschmutzungen die Geschädigten aus der Havarie des Öltankers „Prestige“ mit 150 Millionen Euro abfinden will. Die spanische Regierung bezifferte allein die Reinigungskosten bislang mit 280 Millionen Euro. Verdienstausfälle für die Fischer und die Tourismusbranche sind dabei nicht berücksichtigt. Vor diesem Hintergrund stimmen heute die Europaabgeordneten in Straßburg in erster Lesung darüber ab, wer künftig für Umweltschäden haften soll.
Mehr als zehn Jahre hat die Europäische Kommission um den Richtlinienvorschlag gerungen. Herausgekommen ist ein Entwurf, der besseren Schutz für die biologische Vielfalt und die natürliche Umwelt ermöglichen will, ohne die europäischen Unternehmen gegenüber der internationalen Konkurrenz zu benachteiligen. Da beide Ziele kaum zu vereinbaren sind, weist der Text der schwedischen Umweltkommissarin Margot Wallström große Lücken auf.
So werden etwa Tankerunfälle – die größten Umweltskandale der letzten Jahre – gar nicht erfasst. Auch Schäden durch Atomkraftwerke und genetisch veränderte Organismen sollen ausgenommen sein. Man solle den Entwurf als ersten Schritt zum Verursacherprinzip hin begreifen, appellierte Wallström gestern an das Parlament. „Wir wollen den Text nicht überfrachten.“
Der Rechtsausschuss des Europaparlaments hat immerhin einen Änderungsantrag eingebracht, der sicherstellen soll, dass nach einer Übergangsfrist von fünf Jahren Lücken aus internationalen Verträgen durch das neue Gesetz abgedeckt sind. Es gibt aber noch andere Schwachpunkte: So soll, wenn eine Betriebsgenehmigung vorliegt, nicht der Betreiber haften, sondern die Behörde, die die Anlage für unbedenklich erklärt hatte. „Das ist, als würde nach einem Unfall nicht der Fahrer zur Rechenschaft gezogen, sondern das Amt, das seinen Führerschein ausgestellt hat“, schimpft die sozialistische Abgeordnete Evelyne Gebhardt. Ihre Fraktion will den Text heute im Plenum deutlich verschärfen. So soll Versicherungspflicht oder eine obligatorische Rücklage sicherstellen, dass der Verursacher im Schadensfall auch zahlen kann. Und nach einer Übergangsfrist von fünf Jahren sollen Öltransporte, die Beförderung gefährlicher Stoffe allgemein, Atomkraft und gentechnisch veränderte Produkte einbezogen werden.
Sollten die Sozialisten heute gemeinsam mit Grünen und Teilen der Liberalen ihre Forderungen durchsetzen, ist das erst der Anfang eines langen Gesetzgebungsweges. Die industriefreundlichen Länder im Ministerrat werden das Ergebnis wieder zu verwässern versuchen.