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Archiv-Artikel

Die Überzeugte: Eleftheria Lehmann

Ein Unfall hat die Chemikerin Eleftheria Lehmann für das Thema Sicherheit sensibilisiert: Sie stieg aus der Forschung aus, leitet heute die Landesanstalt für Arbeitsschutz. Ihre Karriere habe sie nicht geplant, sagt sie: „Ich wurde gerufen“

Ein Unfall hat alles verändert. Mit 30 Jahren wurde die Chemikerin Eleftheria Lehmann bei einem Experiment von Flammen erfasst. Lehmann musste eine Woche ins Krankenhaus, die Narbe an ihrem Hals ist heute fast verschwunden. „Ich werde diesen Unfall nie vergessen“, sagt die heute 57-Jährige und ist sich sicher „ohne diesen Unfall hätte ich den Weg zum Arbeitsschutz wahrscheinlich nicht gefunden.“

Lehmann leitet seit acht Jahren die Landesanstalt für Arbeitsschutz. Ihre Mitarbeiter in 13 Städten und bei den Bezirksregierungen wachen über die Instandhaltung von Sicherheitseinrichtungen etwa in Chemiefabriken, beraten Unternehmensgründer und untersuchen Arbeitsunfälle. Eleftheria Lehmann will überzeugen. Sie sucht Verständnis für ihre Arbeit, will den Arbeitgebern „nicht mit der Keule des Gesetzes“ drohen. Gerade bei kleinen Betrieben funktioniere das gut – spätestens wenn sie den Unternehmern vorrechne, wieviel Geld sie verlieren könnten, wenn ein Büro falsch eingerichtet ist und die Arbeitnehmer krank mache. In Verhandlungen mit Industriebossen dagegen müsse sie vor allem „hart in der Sache bleiben“. Manchmal helfe nur politischer Druck wie bei der Entwicklung von lösungsmittelarmen Farben.

Mit dem griechischen Abitur in der Tasche zog es die 18-jährige Eleftheria nach Deutschland. Über den Deutschen Akademischen Austauschdienst begann sie ihr Chemiestudium in Gießen, lernte dort ihren Mann kennen und folgte mit ihm im Schlepptau ihrer Professorin an die gerade eröffnete Universität in Dortmund. In Dortmund lebt sie noch heute – auch weil sie die große griechische Gemeinde der Stadt vermissen würde. Dann passierte der Unfall in einem der Dortmunder Labors und Eleftheria Lehmann begann sich nach einem neuen Beruf umzusehen.

Hochschwanger bewarb sie sich als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der damaligen Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Unfallforschung in Dortmund, schon vier Jahre später war sie verantwortlich für die Abteilung zur die Messung von gefährlichen Stoffen. „Ich habe keine gezielte Karriere gemacht, ich wurde immer gerufen“, sagt sie über ihren Aufstieg. Dem Ruf nach Düsseldorf an die Spitze der Landesanstalt für Arbeitsschutz folgte sie mit gemischten Gefühlen: Einerseits freute sie sich auf mehr praktische Arbeit und die Kontakte zu Unternehmen, andererseits vermisst sie das internationale Parkett, das ihr die Bundesanstalt bei Kongressen und Tagungen bot.

„Arbeit macht Dir Spaß, trenn‘ Dich nicht zu früh davon“, habe ihr Mann gesagt, als sie mit der ersten Tochter schwanger war. Ob sie gegen seinen Widerstand berufstätig geblieben wäre, wisse sie nicht. „Aber wahrscheinlich hätte ich den Mann nicht geheiratet“, sagt sie – und lacht. Die „Kultur der Erwerbstätigkeit von Frauen“ in Deutschland empfindet sie als „unterentwickelt“. Gerade ältere Frauen würden sich im Beruf so autoritär und hierarchisch wie Männer verhalten, kritisiert sie, bleibt aber optimistisch: Der kommunikative Stil der neuen Frauen werde sich durchsetzen, „in zehn, fünfzehn Jahren reden wird nicht mehr darüber, ob Frauen arbeiten sollen“. NADIA LEIHS