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Archiv-Artikel

Das Gift kommt per Briefträger

Für den Handel mit Pestiziden gibt es strenge Vorschriften – sie gelten aber nicht im Internet. Trinkwasser gefährdet

BERLIN taz ■ Wie viel Gift darf es sein? Vier Kilogramm verbotenes „Unkraut-Ex“ oder doch gleich 20 Liter des krebsauslösenden Schädlingsgiftes Glyphosat? Neuerdings kann jedermann solche gefährlichen Pflanzenschutzmittel einfach im Internet bestellen. Geliefert wird in neutraler Verpackung vom Postboten, der nichts von seiner riskanten Fracht weiß.

Eigentlich ist in Deutschland streng geregelt, wer Pestizide verkaufen darf und wer nicht. Doch beim Verkauf übers Internet klafft eine eklatante Regelungslücke, wie das Fernsehmagazin WISO heute Abend im ZDF berichtet. Denn die Vorschriften gelten nicht für die virtuellen Marktplätze, weil sie in den Gesetzen nicht erwähnt werden. Für die Onlinemärkte gibt es nur eine maue Selbstverpflichtung ihrer Betreiber, die aber weder die Kompetenz der Verkäufer noch der Käufer hinterfragt. Sach- und Fachkunde beim Handel mit Pflanzengiften muss bisher nur der Fachhandel wie etwa Gärtnereien oder Raiffeisenmärkte nachweisen. Privatleute dürfen Pflanzenschutzgifte hier nur in kleinen Mengen kaufen.

Ganz anders sieht es im Onlinehandel aus. „Wir waren verblüfft, wie einfach sich diese hochgiftigen Chemikalien im Internet beschaffen lassen“, wundert sich WISO-Redakteur Uli Röhm. Problemlos konnte das WISO-Team im Internet Pestizide bestellen, die in Deutschland längst verboten sind – noch dazu in weit größeren Mengen, als sie der Fachhandel überhaupt vertreiben darf. Virtuelle Marktplätze wie das Aktionshaus Ebay verbieten zwar grundsätzlich den Handel mit Giften, doch die Verantwortung für die Aufsicht weist Ebay den Behörden zu.

Eine besondere Gefahr stellt der Onlinegiftverkauf für das Grundwasser dar. Denn unkontrolliert eingesetzt belasten die Pestizide das Trinkwasser. Das bleibt oft unentdeckt, denn die Wasserwerke prüfen das Wasser nur nach Rückständen, von denen sie annehmen, dass sie regelmäßig eingesetzt werden.

„Der ungehinderte Onlinehandel mit Pestiziden ist ein Skandal“, sagt Sebastian Schönauer vom BUND. Die meisten Stoffe seien krebserregend und hormonaktiv und würden über das Trinkwasser die Fortpflanzungsfähigkeit dauerhaft schädigen. Nun soll der Gesetzgeber für strengere Kontrollen sorgen – das fordern zumindest der BUND, die Verbraucherzentrale Bundesverband sowie die deutsche Wasserwirtschaft in einer gemeinsamen Erklärung.

TARIK AHMIA

WISO, ZDF, Montag 19.25 Uhr