Der Fluch der alten Damen

Zum ersten Mal will das bayerische Altötting den Christopher Street Day feiern. Jetzt fällt zumindest die Parade aus. Rentnerinnen und Fanatiker drohen den Veranstaltern. Organisator Thomas Grahammer fühlt sich wie bei einem Kreuzzug

taz: In Altötting sollte erstmals ein Christopher Street Day stattfinden. Nun haben Sie die Parade abgesagt. Was war der Grund?

Thomas Grahammer: Eine religiöse Organisation hat eine E-Mail an die Stadt Altötting geschickt. In ihr stand, dass diese Organisation diese Parade um jeden Preis verhindern wolle. Es gab auch mehrere Anrufe an die Stadt, in denen offen mit Gewalt gedroht wurde.

Ich hatte ohnehin einen Gesprächstermin beim Bürgermeister und habe ihm dann vorgeschlagen: Wie wäre es, wenn wir das ohne Parade machen? So eine Veranstaltung ist eben auf einem Platz einfacher zu schützen als bei einer Parade, die quer durch die Stadt zieht.

Muss man diese Drohungen denn wirklich so ernst nehmen?

Der Pfarrer in Altötting hat gegenüber anderen Medien geäußert, dass es tatsächlich solche Organisationen gibt. Das sind offenbar christliche Fundamentalisten.

Unser erster Gedanke war trotzdem, dass wir das durchziehen. Aber als Organisatoren haben wir uns dann darauf geeinigt, einen Kompromiss zu wählen, der möglicherweise Gewalt verhindert.

Sind Sie denn auch persönlich bedroht worden?

Es gibt Drohanrufe.

Viele?

So zwei pro Tag. Meistens sind es ältere Damen, die einen verfluchen, richtig gekonnt. Einmal hat jemand ein Tonband abgespielt, da hieß es: „Wir werden euch alle ausräuchern.“ Das klingt manchmal fast komisch, aber wir zeigen jeden Anruf an. Die Staatsanwaltschaft ist da eingeschaltet, die Anrufe werden jetzt zurückverfolgt.

Ich habe schon manches Mal gedacht, ich befinde mich hier im 14. Jahrhundert und es findet gerade ein Kreuzzug statt.

Spüren Sie denn eine feindselige Stimmung in Altötting?

Überhaupt nicht. Es gibt viel Zustimmung im Ort, bei einer Radioumfrage hatten 80 Prozent der Leute im Ort überhaupt kein Problem mit dem CSD. Denen war das egal oder die fanden das gut.

Dann hat doch Ihr Bürgermeister vielleicht Recht. Er sagt, es gebe in Altötting keine Diskriminierung von Homosexuellen, und deswegen sei eine Parade überflüssige Provokation.

Das ist Blödsinn! Natürlich gibt es keine Diskriminierung seitens der Stadt. Das kann sich glücklicherweise keine Gemeinde in Deutschland mehr erlauben. Aber es gibt natürlich Diskriminierung in der Familie, in der Schule, im Verein. Da gibt es etliche Orte, die mir sofort einfallen. Der Bürgermeister hat davon allerdings überhaupt keine Ahnung.

Was passiert denn nun am 3. Juli in Altötting?

Die Veranstaltung zum Christopher Street Day findet auf jeden Falle statt. Möglicherweise gibt es auch andere Beteiligte, die unabhängig von uns am selben Tag, am selben Ort eine Parade veranstalten wollen. Da habe ich mal was läuten gehört. Ich unterstütze die Idee, werde das aber nicht mitorganisieren. INTERVIEW: J. SCHALLENBERG