: Praktisch Vollvermietung
In Hamburg werden die Wohnungen wieder knapper. Die Einwohnerzahl wächst, während weniger gebaut wird. Die Folge: Die Mieten steigen. Mieter helfen Mietern weiß, dass eine Wohnungssuche im Schnitt sieben Monate dauert
von GERNOT KNÖDLER
Die wachsende Stadt ist nicht bloß ein werbewirksames Leitbild des Senats, sondern eine Realität: Die Einwohnerschaft Hamburgs ist in den drei Jahren 1999 bis 2001 um 19.000 Menschen gewachsen. Gleichzeitig ging die Zahl der neu gebauten Wohnungen auf gut 5000 in 2001 zurück. 2002 waren es weniger als 4000, von denen einige nur dazu dienten, Ersatz für marode Altbausubstanz zu schaffen. Folge: Die Mieten steigen, die Wohnungssuche wird schwieriger. Wie eine nicht repräsentative Umfrage von „Mieter helfen Mietern“ (MHM) ergab, brauchen Mieter im Durchschnitt sieben Monate, bis sie eine neue Wohnung gefunden haben.
„Es ist enger geworden auf dem Markt“, sagt Michael Pistorius, Pressesprecher der Arbeitsgemeinschaft Hamburgischer Wohnungsunternehmen, in der die ehemals gemeinnnützigen Firmen, wie die Saga oder die Wohnungsbaugenossenschaften, zusammen geschlosssen sind. Ein Indiz dafür sei, dass die Mieter weniger häufig ihre Wohnung wechselten. Leerstände gehören der Vergangenheit an. „Es herrscht praktisch Vollvermietung“, sagt Pistorius.
Die Schüler des Niendorfer Ohmoor-Gymnasiums, die regelmäßig Hamburger Wohnungsanzeigen auswerten, stellen seit 1999 steigende Nettokaltmieten fest: Von durchschnittlich 8,05 Euro pro Quadratmeter stiegen die Mieten auf 9,10 in diesem Jahr. Dabei haben die Mieten zuletzt in Stadtteilen angezogen, die nicht als besonders attraktiv gelten: Harburg, Rothenburgsort, Hamm, Jenfeld, Lurup, Veddel und Dulsberg. Nach wie vor steht bei den Mietern jedoch die innere Stadt so hoch im Kurs, dass Wohnungsmakler von einer verzerrten Wahrnehmung sprechen. Wer wenig Geld für eine ruhige Wohnung ausgeben wolle, sei mit Hamm oder Horn noch immer gut bedient.
Wie frustrierend die Wohnungssuche ist, hängt aber auch von der Größe der gesuchten Wohnung ab. Am meisten fehle es an „bezahlbaren größeren Wohnungen“, sagt Pistorius. Zwei- bis Vier-Zimmer-Mietwohnungen mit 65 bis 100 Quadratmeter seien unter anderem deshalb schwer zu finden, weil der öffentlich geförderte Wiederaufbau nach dem Krieg sich auf kleine Wohnungen beschränkte.
Dass bezahlbare große Wohnungen fehlen, könnte erklären, warum sich Haushalte mit Kindern besonders schwer tun bei der Wohnungssuche. Der MHM-Umfrage zufolge stellen sie unter den Suchenden, die nach mehr als einem Jahr noch immer keine Wohnung gefunden hatten, die größte Gruppe.
Fast aussichtslos, so Mieterschützerin Sylvia Sonnemann, scheine die Suche Alleinerziehender auf dem freien Wohnungsmarkt. Für die meisten von ihnen kämen lediglich Sozialwohnungen oder Genossenschaftswohnungen in Frage. Den Neubau von Sozialwohnungen hat der Rechtsssenat stark zurückgefahren. Mieterschützer und die SPD warnen davor, dass in den nächsten zehn Jahren bei einem Drittel der zurzeit rund 160.000 Sozialwohnungen die Mietpreisbindung aufgehoben werden könnte (taz hamburg berichtete mehrfach).
Die Haushalte mit Kindern, die eine Wohnung fanden, mussten der Umfrag zufolge ein Jahr lang suchen, obwohl sie bereit waren, 43 Prozent ihres Netto-Einkommens für die Miete aufzuwenden. Bei den Übrigen liegt diese Schwelle bei 37 Prozent. Im Durchschnitt seien die Befragten bereit gewesen 10 Euro pro Quadratmeter warm zu bezahlen, viel mehr als der Mietenspiegel mit rund acht Euro vorgebe.
Auch am Engagement ließen es die Wohnungssuchenden nicht fehlen: Im Durchschnitt bewarben sie sich 31mal bis sie eine Wohnung fanden. Dennoch seien am Ende nur 20 Befragte mit der gefundenen Wohnung zufrieden gewesen. Lediglich elf gaben an, keine Abstriche gemacht zu haben. Die übrigen machten Kompromisse bei Größe, Ausstattung und Lage. Die meisten suchten allerdings in den Altbaustadtteilen der inneren Stadt.