piwik no script img

Archiv-Artikel

Präsident in spe spielt Prophet

Horst Köhler, der Favorit für die Präsidentenwahl, macht aus seinem Herzen keine Mördergrube. Er weiß: Eine Bundeskanzlerin Angela Merkel wäre gut fürs Land

BERLIN taz ■ Horst Köhler will nicht nur Symbolfigur sein. Wird er Präsident, will er mitreden und die Politik beeinflussen. Sagt der Favorit fürs höchste Amt. Eine erste Kostprobe gab Köhler am Wochenende, als er über seine Amtsführung nachdachte: „… wenn dann hoffentlich jemand von der CDU – Angela Merkel – Bundeskanzlerin ist“.

Ein Bundespräsident, so verlangt es das Amt, soll überparteilich sein. Will Köhler diese Regel brechen? Oder möchte er nur die Zeit bis zur Wahl agitatorisch nutzen? Sicher ist: Köhlers Votum befremdet selbst Unionsmitglieder – vor allem der CSU.

„Vielleicht hat der designierte Bundespräsident prophetische Gaben“, spottete Michael Glos, Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, in der Bild am Sonntag. Ein Präsident Köhler hätte sich diese Aussage nicht erlauben können, zitierte das Blatt ein nicht genanntes CSU-Präsidiumsmitglied. Auch Laurenz Meyer, Generalsekretär der CDU, betonte: die „K-Frage“ werde in der Union 2006 entschieden.

Angela Merkel hingegen findet Köhlers Statement unproblematisch. Mit seinem Merkel-Plädoyer vor rund 200 CDU-Vertretern in Berlin habe Köhler „die Herzen der Kreisvorsitzenden gewonnen“. Er habe verdeutlicht, dass er sich als überparteilich verstehe, behauptete Merkel.

Unterdessen definiert Köhler, wie er selbst die Aufgaben eines Präsidenten versteht. Er müsse „Einfluss nehmen, konzeptionell und intellektuell geistige Führung anbieten“, sagte er dem Tagesspiegel. „Das wäre durchaus mein Ehrgeiz.“ Auch müsse er traditionelle Tugenden beleben: Ein Präsident solle vermitteln, dass Fleiß und Verantwortungsbewusstsein nach wie vor weltweit angesehen seien. Köhler sieht sich als Kandidat, der das politikmüde Volk aufrütteln könnte, weil er – der langjährige Staatsekretär – kein hohes politisches Amt bekleidet habe. Seine Hoffnung: Ihm als Neuling würden die Deutschen aufmerksamer lauschen.

Pessimistisch blickt Köhler auf die Zukunft Deutschlands. Als Wirtschaftsstandort sei Deutschland im Abstieg befindlich, so der frühere Präsident des Internationalen Währungsfonds. In vielen Bereichen sei das Land „tatsächlich schon zweite Liga“.

Noch muss die Bundesversammlung entscheiden, ob sie Köhler in Amt und Würde hebt. Das könnte künftig anders sein, glaubt man Gerhard Schröder. Er habe „keine prinzipiellen Einwände“, dass künftig das Volk direkt den Bundespräsidenten wählt, sagte der Bundeskanzler am Wochenende. Die Debatte solle jedoch erst nach der Wahl geführt werden, am besten in der Föderalismus-Kommission von Bund und Ländern.

Für eine Direktwahl müsste Deutschland sein Grundgesetz ändern – mit Zweidrittelmehrheit in Bundestag und -rat.

COSIMA SCHMITT