Tony Blairs Wunderwaffe für die Dritte Welt

Valerie Amos ist die erste Entwicklungshilfeministerin eines Industriestaates, die aus einem Entwicklungsland stammt

Publizistisch war es ein Geniestreich. Indem Großbritanniens Premierminister Tony Blair seine im Streit zurückgetretene Ministerin für Internationale Zusammenarbeit, Clare Short, durch Valerie Amos ersetzte, nahm er allen Kritikern vorab den Wind aus den Segeln. Schwarz, weiblich, internationalistisch, durchsetzungsfähig – das 49-jährige Mitglied des britischen Oberhauses dürfte den guten Ruf ihres Ministeriums DFID (Department for International Development) und den Stellenwert der Entwicklungspolitik in der britischen Regierung eher erhöhen, nachdem Short als Labours Skandalnudel immer für Schlagzeilen gut war. Amos ist die erste schwarze Frau in Blairs Kabinett, und mit ihrer Ernennung wird zum ersten Mal ein Mensch aus einem Entwicklungsland für die Vergabe von Entwicklungshilfe zuständig.

Geboren wurde Amos 1954 in Guyana, der einzigen britischen Kolonie in Südamerika. Ihre Familie zog nach England, als sie neun Jahre alt war, und ihre Karriere begann sie in der Londoner Kommunalpolitik. 1989 bis 1994 leitete sie die britische Antidiskriminierungsbehörde „Equal Opportunities Commission“, und nach Labours Wahlsieg 1997 zog sie als ernannte Abgeordnete ins Oberhaus ein, als „Baroness Amos of Brondesbury“. Dort trat sie rasch in die Labour-Fraktionsführung ein und war hintereinander für Sozial-, Entwicklungs-, Frauen- und Außenpolitik zuständig, bevor Blair sie nach seinem zweiten Wahlsieg 2001 als Afrika-Unterstaatssekretärin im Außenministerium in die Regierung holte.

Im März, als in der UNO der Streit um eine zweite Irak-Resolution tobte, warb Amos bei den Regierungen der afrikanischen UN-Sicherheitsratsmitglieder Guinea, Angola und Kamerun für die britische Position. Manche ihrer damaligen Gesprächspartner, so kommentierte jetzt der Guardian, dürften heute überrascht sein, dass sie erst jetzt Ministerin geworden ist.

In ihrem neuen Amt steht nun der Wiederaufbau des Irak ganz oben auf der Tagesordnung von Valerie Amos – aber auch brisante Themen wie die Zukunft der Entwicklungshilfe überhaupt und der Umgang mit Simbabwe werden sie beschäftigen. Als Schwarze kann Robert Mugabe ihr jedenfalls keinen Rassismus vorwerfen, wie er es sonst bei seinen britischen Kritikern gerne tut. „Die Kolonialzeit ist vorbei“, erklärte sie Mugabe kürzlich erst bei einer Rede in Südafrika. „Dass ich hier als Staatsskretärin und zugleich Nachkömmling der Kolonisierten stehe, ist doch wohl Beweis genug.“

Der einzige Schwachpunkt von Baronin Amos: Sie hat kein gewähltes Mandat, was in der britischen Politik als Zeichen mangelnder Volksnähe gilt. Nicht die Briten haben sie gewählt, sondern Blair. Dem ist sie auch politisch treu, ganz anders als ihre Vorgängerin Clare Short.

Obwohl sie aus dem Außenministerium kommt, das die Bildung eines eigenständigen Entwicklungshilfeministeriums durch New Labour nie richtig verwunden hat, dürfte sie die Eigenständigkeit des DFID verteidigen, die Clare Short in sechs Jahren aufgebaut hat. Short selbst lobte ihre Nachfolgerin: „Manche denken, jetzt kann man das Ministerium schwächen, weil ich nicht mehr da bin. Manche im Außenministerium denken, Amos wird in ihrem Sinne handeln. Das glaube ich nicht. Entwicklungspolitik ist ihr wirklich wichtig. Afrika ist ihr wirklich wichtig.“ DOMINIC JOHNSON