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Archiv-Artikel

Landeshaushalt mangelhaft

Der Rechnungshof findet schwere Mängel im Jahresetat 2001 – und verweigert erstmals das Testat. Nach Steuerschätzung werden zudem erneut Mindereinnahmen in Milliardenhöhe erwartet

von RICHARD ROTHER

Der Rechnungshof zeigt dem Senat die gelbe Karte: Erstmals verweigerte das Kontrollgremium das nötige Testat für den Jahresabschluss 2001. Die vom damaligen rot-grünen Übergangssenat vorgelegte Abrechnung sei „fehlerhaft und unvollständig“, kritisierte der Präsident des Rechnungshofes, Jens Harms, gestern bei der Vorstellung des Jahresberichts. Rechtliche Konsequenzen hat der Rechnungshofbericht nicht. Allerdings will sich das Abgeordnetenhaus damit befassen. Es kann per Auflagen Änderungen für die Zukunft einfordern.

Harms sagte: „Die Korrektheit des Zahlenwerkes kann nicht im gesamten Umfang bestätigt werden.“ Obwohl die ordnungsgemäße Buchhaltung gesetzlich vorgeschrieben sei, habe es handwerkliche Fehler und schwere Mängel bei der Haushaltsrechnung gegeben. „Dies muss sich in Zukunft ändern.“ Ursache der Fehler seien mangelnde Personalausstattung und nicht kompatible Abrechnungssysteme.

Die Finanzlage Berlins sei nach wie vor dramatisch. Trotzdem seien durch „unwirtschaftliches und nicht ordnungsgemäßes Handeln“ mindestens 231 Millionen Euro verschwendet worden. In zahlreichen Einzelfällen kritisierte der Rechnungshof teure Fehler der Verwaltung. Häufig seien Aufträge vergeben und bezahlt worden, ohne dass die Leistungen erbracht wurden.

Die Opposition sieht sich durch den Rechnungshof in ihrer Kritik des rot-roten Senats bestätigt. „Anscheinend kann man nicht einmal mehr den vorgelegten Daten der Finanzverwaltung trauen“, so die Grünen-Politiker Oliver Schruoffeneger und Jochen Esser. Dies sei „skandalös“. Der Rechnungshof stütze außerdem die Klage gegen eine verfassungsrechtlich nicht vertretbare Haushaltspolitik. Danach sei es dem Senat nicht gelungen, „mit der erhöhten Kreditaufnahme Maßnahmen durchzusetzen, die nach Umfang und Verwendung bestimmt und geeignet sind, die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts abzuwehren“.

Der CDU-Haushaltsexperte Nicolas Zimmer forderte den Senat auf, das gesamte Haushaltswesen und seine Organisation zu evaluieren. Er wäre gut beraten, sich dabei auf die Konzepte der Verwaltungsreform zu stützen.

FDP-Fraktionschef Martin Lindner verwies insbesondere auf die Kritik des Rechnungshofes an zahlreichen Landesbeteiligungen. Seine Partei fordere den Senat auf, sich „von allen Beteiligungen zu trennen, nicht nur von den defizitären“. Der Staat sei „immer ein schlechter Unternehmer“.

Unterdessen hat der rot-rote Senat angekündigt, am Montag erneut in Klausur zu gehen. Dabei soll über den Stand der Beratungen zum Doppelhaushalt 2004/2005 diskutiert werden. Heute will der Senat haushaltspolitische Konsequenzen der gestern veröffentlichten bundesweiten Steuerschätzung bekannt geben, die Einnahmeverluste von mehr als 120 Milliarden Euro bis 2006 erwarten lässt.

Der PDS-Haushaltsexperte Carl Wechselberg rechnet bis 2007 weitere Mindereinnahmen in Milliardenhöhe für Berlin. Grund: Die eigenen Steuereinnahmen sinken, und auch die Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich gehen zurück. Bereits 2002 betrugen diese Ausfälle nach Wechselbergs Angaben 670 Millionen Euro, 2003 waren es 470 Millionen. Wechselberg: „Es ist vollkommen unmöglich, dieses Einnahmeproblem Berlins zusätzlich durch Ausgabekürzungen zu kompensieren.“ Weitere Schulden seien die Folge.

Wechselberg fordert deshalb eine weitaus aktivere Rolle des Haushaltsnotlagelandes Berlin in der bundespolitischen Finanz- und Steuerdiskussion. „Berlin muss insbesondere auf eine grundlegende Kurskorrektur bei der Besteuerung von Unternehmen und Vermögen drängen, deren Belastung unter Rot-Grün einen historischen Tiefstand erreicht hat.“