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Archiv-Artikel

Wem gehört der Lungenkrebs?

betr.: „Meine Lunge gehört mir“ von Detlef Kuhlbrodt, taz vom 12. 5. 03

Prämisse: Die Tabaksteuer wird ausschließlich zur Beschaffung von zusätzlichen finanziellen Mitteln angehoben! Folgerung: Das gewünschte Ziel wird voll verfehlt, denn durch den Effekt der vermehrten Umstellung von Raucher zu Nichtraucher sinken die geplanten Mehreinnahmen drastisch. Nebeneffekt: Es sinkt nicht nur die Tabaksteuereinnahme, sondern natürlich auch die Mehrwertsteuereinnahme. Völlig unerwähnt: Der Raucher als solcher ist die einzige Rettung des maroden Gesundheitssystems, denn er zahlt nicht nur mehr Steuern, sondern stirbt früher. Nebenbei: Die durch Tabaksteuererhöhung gewonnenen Nichtraucher zahlen nicht nur weniger Steuern, sondern leben auch noch länger. Dies wirkt negativ auf das Rentenversicherungsproblem und bringt wesentlich höhere Betreuungskosten in dem dann zu erreichenden Alter mit sich. […] Logisch wäre die letzten verbliebenen Raucher zu bestärken und ihnen Dank für ihre Opferbereitschaft auszusprechen. TORSTEN HEYDRICH, Kerpen

Herr Kuhlbrodt mag mit seinen Argumenten wie zum Beispiel die Tabaksteuer sei unsozial usw. Recht haben. Und natürlich hat er ein Recht auf ein ungesundes Leben. Trotzdem ist die Steuererhöhung auf Tabak gut. Aber aus anderen Gründen.

Denn anders als zum Beispiel beim Kaffee- oder Bierkonsum leiden auch die Mitmenschen unter dem Konsum der Raucher. Passiv Rauchen erhöht das Krebsrisiko um ein Vielfaches. Und auch ansonsten sehe ich mich als Nichtraucher durch Raucher in meiner Lebensqualität beeinträchtigt. So kann ich in keine Kneipe/Disco o. ä. gehen, ohne das meine Klamotten total eklig stinken. Oder ich gehe in ein Restaurant, möchte mein Essen genießen, und dann steckt sich neben mir jemand eine Zigarette an.

Und dann haben die meisten Raucher auch noch die Angewohnheit ihre Kippen überall dort fallen zu lassen, wo sie gerade stehen. Teilweise sogar ohne sie vernünftig zu löschen. […] Und Gesundheitsapostel mögen nervend sein, aber so richtig ätzend sind überzeugte penetrante Raucher. Besonders wenn sie einem überzeugten Nichtraucher den Qualm noch extra ins Gesicht pusten. Deshalb finde ich es richtig, gegen das Rauchen Stimmung zu machen und die Tabaksteuer zu erhöhen. […]

MATTHIAS BOTZEN, Aachen

Wer die Tabaksteuererhöhung aufgrund der abneigenden Haltung der Bundesregierung im Fall des europäischen Tabakwerbeverbots als verlogen bezeichnet, kennt die wahren Hintergründe des Verbots nicht. Nicht der Schutz der Gesundheit ist Antreiber der Verbots, denn im primären Gemeinschaftsrecht fehlt eine eigenständige Rechtsgrundlage für umfassende Maßnahmen im Bereich des Gesundheitsschutzes, sondern die Interessen einzelner EU-Länder. Vorantreiber sind gerade jene Länder mit eigenen Tabakanbaugebieten und Tabakmonopolen, die zudem bereits weit reichende Werbeeinschränkungen auf nationaler Ebene durchgesetzt haben. Der Gipfel der Verlogenheit ist eben nicht die Haltung der Bundesregierung, sondern dass gerade diese Länder, die zusätzlich mehrere Millionen Euro Subvention für ihren Tabakanbau kassieren, unter dem Deckmantel des Gesundheitsschutzes ein Werbeverbot fordern, um ihre eigene Tabaklobby auf dem europäischen Markt vor nicht europäischen Tabakprodukten zu schützen.

Daneben ist es nur gerechtfertigt, Zigarettenkonsumenten, die das umlagefinanzierte Gesundheitswesen regelmäßig kostenintensiver beanspruchen als „pausbäckige Zufriedenheitsidioten“, stärker zur Kasse zu bitten. Führt die Maßnahme langfristig zu einem Rückgang des Tabakkonsums, wäre dies ein wünschenswerter Nebeneffekt. […] JONAS V. DALL’ARMI, München

Der „Meine Lunge gehört mir“-Ansatz gilt nur für vollständig privat Krankenversicherte. Wer dagegen in der Pflichtversicherung ist, beansprucht für den Fall vorsätzlich herbeigeführter Raucherkrankheiten auch die Beiträge jener, die selbstbewusst genug sind, nicht zu rauchen. Was würden denn die Raucher sagen, wenn es eine gesetzliche Autoreparaturversicherung gäbe, die auch alle Fälle kostenlos abdecken müsste, in denen Autofahrer ihre Vehikel absichtlich etwa durch minderwertigen Sprit oder andere Fehlbehandlungen zu Reparaturfällen machten?

[…] Wer (weiter) raucht, tut dies trotz des Gestanks freiwillig und soll, bitte schön, bei sich selbst anfangen, nach den Ursachen für die hohe Steuerlast zu suchen, anstatt so dämlich herumzugreinen. KLAUS DIETER BÄTZ, Coburg

Diese so genannte Freiheit, ungesund leben zu dürfen, schränkt in ganz erheblichem Maße die Lebensqualität all derer ein, die einer solchen Freiheit nicht bedürfen. Passivrauchen ist mittlerweile als krebserregend anerkannt. Der gemeine Raucher aber schützt sich vor dieser Erkenntnis wie vor den giftigsten Produkten seiner rücksichtslosen Verbrennungstat mit einem Filter. Welchen er schließlich in einem wohl grenzenlosen Gefühl an Freiheit jenseits allen Anstandes seinen Mitmenschen vor die Füße wirft. Ganz davon abgesehen, dass die Verbrennungsprodukte dieses zelebrierten Freiheitswahnes den Boden und das Grundwasser vergiften können, lassen die Ansammlungen an Kippen keinen ästethisch motivierten Jubel zu.

Eine Droge, die jährlich hunderttausende Tote fordert, verursacht eine Unmenge mehr an Krankheitserscheinungen, die das Gesundheitssystem horrende Summen kosten. […] Deshalb ist es gerecht und sinnvoll, wenn Rauchen zur Sanierung der Gesundheitsversorgung herangezogen wird. Entweder erhöhen sich die Steuereinnahmen, oder es sinken die Kosten durch finanziell bedingt vermehrte Aus- und verringerte Einstiege. Raucher sind durch eine ausreichend hohe Tabaksteuer tatsächlich keine Gemeinwohlparasiten, aber die meisten sind, um mal richtig polemisch zu werden, rücksichtslos, unanständig und alles andere als frei. Denn ganz nebenbei sind die allermeisten süchtig und damit arme Schweine. Weshalb sie noch lange nicht ihren Anstand verlieren müssen. THOMAS SEILER, Neckarhausen

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