: Integrationsräte sollen‘s bringen
Neue Modelle der Mitbestimmung sollen in Nordrhein-Westfalen die Ausländerbeiräte ablösen. Ratsmitglieder werden eingebunden, aber umstritten ist die Mehrheit im Gremium
VON NATALIE WIESMANN
54 Städte und Kommunen in NRW wollen in der Partizipation von Einwanderern neue Wege gehen: Noch in diesem Jahr sollen Ratsmitglieder in einen von Migranten gewählten Integrationsrat eingebunden und der Rat mit mehr Kompetenzen ausgestattet werden. Die herkömmlichen Ausländerbeiräte sind als kommunalpolitisches Instrument bei den Betroffenen nicht angekommen: 1994 wählten noch 24 Prozent der NRW-Einwanderer das Gremium, bei der letzten Wahl vor fünf Jahren waren es im Landesmittel nur noch 15 Prozent.
Abgesehen von kleineren Details kristallisieren sich zwei neue Modelle heraus, die zurzeit in Solingen und Duisburg erprobt werden: In Solingen nennt man das neue Gremium „Ausschuss“ und die Ratsmitglieder sind in der Mehrheit. Die andere Variante ist ein Integrationsrat, in der die Mehrheit bei den Migranten bleibt. In beiden Modellen soll das Gremium bei Haushaltsfragen, die Migranten betreffen, mitbestimmen dürfen. Und es ist die Wahl von Stellvertretern vorgesehen: „Damit vermeiden wir, dass, wie in der Vergangenheit, die Sitzungen nicht vollständig besetzt sind,“ sagt Anne Wehkamp, Ausländerbeauftragte von Solingen. Schließlich seien die meisten der ehrenamtlichen Mitglieder berufstätig. Die Mehrheitsverhältnisse von zehn Ratsmitgliedern zu neun gewählten MigrantInnen will man allerdings dort in der nächsten Wahlperiode wieder umkehren, so Wehkamp.
Luigi Costanzo, SPD-Ratsherr und ehemaliger Vorsitzender des Remscheider Ausländerbeirats, versteht nicht, warum die meisten Ausländerbeiräte eine Mehrheit der Ratsmitglieder in ihrem Gremium ablehnen: „Wir kommen an der deutschen Mehrheit nicht vorbei“, so der Gewerkschafter. Und wenn die Ratsmitglieder in der Mehrheit seien, könne man sie nach Entscheidungen viel besser „in die Pflicht nehmen“. In Remscheid will man für die kommende Wahl dem Solinger Modell folgen. Miltiadis Oulios von der Kanak Attak – einer bundesweiten Gruppierung, die sich dagegen wendet, ständig auf ihre Herkunft reduziert zu werden – lehnt auch das neue Modell für seine hier aufgewachsene Generation ab: „Wir sind integriert, wir brauchen einen solchen Rat nicht.“ Stattdessen wolle man endlich die vollen Bürgerrechte für Einwanderer.
Für die neuen Mitbestimmungsorgane bedient sich die Landesregierung einer Experimentierklausel. Eine Änderung der Gemeindeordnung, in der die Ausländerbeiräte seit 1994 fest verankert sind, ist nicht vorgesehen. „Die neuen Modelle sind zu unterschiedlich, als dass wir sie in eine einheitliche Form bringen könnten“, sagt eine Sprecherin des Innenministeriums. „Das ist ein vorgeschobener Grund“, weiß Tayfun Keltek, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der Migrantenvertretungen NRW (LAGA). Die Grünen hätten weitere Änderungswünsche an die Gemeindeordnung angemeldet und die SPD versuche nur, das zu verhindern.