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Archiv-Artikel

Abschied nehmen lernen

Ein Oldenburger Forschungsprojekt hat untersucht, wie in Schulen mit Tod und Sterben umgegangen wird. In einer Fortbildungsreihe für Lehrer sollen die PädagogInnen vor allem darauf achten, wie sie selbst von dem Thema berührt sind

Bremen taz ■ „Es gibt keinen Lehrer, der nicht irgendwann einmal in seiner Laufbahn mit dem Tod eines Schülers konfrontiert wird“, berichtet der Heilpädagoge Sven Jennessen. Er ist Mitarbeiter eines Forschungsprojektes an der Universität Oldenburg, das den Umgang mit Sterben, Tod und Trauer an der Schule untersucht hat.

Das Ergebnis: Lehrer müssen im Umgang mit todkranken Schülern Schwerstarbeit leisten – und brauchen dafür dringend Unterstützung. Oft trifft sie die Situation völlig unvorbereitet – in der Lehrerausbildung ist der Tod kein Thema. Neben der Hilflosigkeit gegenüber der weitgehend tabuisierten Vergänglichkeit sind die Pädagogen vor praktische Probleme gestellt: Wie ist der Tod altersgerecht zu thematisieren? Wie kann das schwerkranke Kind optimal gefördert werden, ohne es zu sehr in den Mittelpunkt zu stellen? Wie sind seine schulischen Leistungen zu bewerten?

Die Forscher sind aber nicht nur in die Schulen gegangen, um die Situation der Lehrer besser zu verstehen, sondern auch um ihnen Bewältigungsstrategien an die Hand zu geben. Zu diesem Zweck hat das Team eine Fortbildungsveranstaltung entwickelt, die im Wesentlichen auf drei Säulen basiert: Die Pädagogen sollen sich im ersten Schritt selber mit Leben und Tod auseinander setzen – „nur so können sie offen und einfühlsam mit ihren Schützlingen das Thema behandeln“, erklärt Jennessen. Als nächstes geht es um das Wissen der Lehrer, was die Erkrankung für das betroffene Kind und seine Mitschüler bedeutet, wie es sich auf ihre Motivation auswirkt, wie es in Einklang mit dem Lernen gebracht werden kann. Die dritte Säule besteht in der Umsetzung des Themas im Unterricht. Hierzu gibt es zum Beispiel zahlreiche Medien, die eingesetzt werden können. Gerade in den letzten Jahren seien viele Kinderbücher zum Thema Tod erschienen, berichtet Heilpädagoge Jennessen.

Auf die Frage nach der Reaktion der Kinder antwortet er: „Die meisten sind froh über ein Ventil – Erkrankte wie Mitschüler“. Zwar gebe es auch Verweigerungen, die akzeptiert werden müssten, aber diese seien selten. Auch bestimmte Rituale können Lehrern und Kindern helfen, ihre Trauer auszudrücken. So können sie zum Beispiel den Platz des verstorbenen Klassenkameraden mit Blumen und selbstgemalten Bildern schmücken, seine Lieblingslieder singen, das Grab besuchen und eine Abschiedsfeier veranstalten. Jennessen berichtet, dass gerade auch die Lehrer dankbar seien für diesen unmittelbaren Umgang mit der Trauer. Im Laufe dieses Jahres soll auch ein Handbuch erscheinen, das keine pädagogischen Rezepte liefern will, aber Lehrern ein Repertoire an Handlungsstrategien im Umgang mit dem Thema Tod an die Hand geben soll.

S. Fischer