: Grimmiges Brot
Auch nach 40 Jahren gilt „der Grimme“ als wichtigster deutscher TV-Preis – was daran liegen könnte, dass die Jury auch dezent Medienpolitik macht
VON NATALIE WIESMANNUND STEFFEN GRIMBERG
Wie lange dauert es, bis ein ehemaliger Leiter des Adolf-Grimme-Instituts selbst einen Preis bekommen darf? Nach acht Jahren bekommt der vom Grimme-Direktor (1990–1996) zum Medienberater und Filmemacher gewandelte Lutz Hachmeister jetzt sogar Grimme mit Gold für seine Dokumentation „Schleyer. Eine deutsche Geschichte“. Bei so viel Ehre ist bestimmt auch mal eine Wiederholung des Films in der ARD drin. Vielleicht sogar mal vor 23 Uhr.
Mit „Call me Babylon“ wird ein Film aus der „Absolute Beginner“-Serie des „Kleinen Fernsehspiels“ ausgezeichnet. Die Reihe war insgesamt für Grimme-Weihen nominiert, „Call me Babylon“ wurde als Einzelfilm von der zuständigen Jury ausdrücklich nachgereicht. Ein TV-Oscar fürs Lebenswerk geht an Dieter „Scheibenwischer“ Hildebrandt. Einen zweiten gibt’s – als offenes medienpolitisches Bekenntnis der Grimme-Juroren – für Werner Reuß. Der ist das Alphatierchen des gleichnamigen Bildungskanals vom Bayerischen Fernsehen. Bayern Alpha ist nun ins Sperrfeuer der Sparvorschläge diverser Ministerpräsidenten geraten – also gibt es einmal Grimme für den „Aufbau vorbildchen Bildungsfernsehens, komplett mit Genitiv“.
Bei den Privaten kam es so, wie es kommen musste: RTL und ProSieben mögen profitabler wirtschaften. Grimme-Preise gehen an Viva (Charlotte Roche für „Fast Forward“) und Sat.1, wo man sich gleich zweimal freuen kann – und das, obwohl Grimme-Abonnent Harald Schmidt diesmal leer ausging. Charlotte Roche freute sich, dass sie dieses Jahr nicht umsonst wochenlang „in den Wahnsinn getrieben wurde“. 2001 war die Viva-Moderatorin nominiert worden, aber nicht prämiert. Prämiert werden diesmal auch „Das Wunder von Lengede“ und „Dienstreise – Was für eine Nacht“.
Und dann wären da noch unsere Lieblingspreise: Wigald Boning für seine legendäre „WIB-Schaukel“ mit Jürgen Drews. „Es gibt mir doch eine gewisse Genugtuung, dass wir für unser Konzept jetzt doch mal gewürdigt werden“, reagierte Boning. Und natürlich bekam „Bernd, das Brot“, einen Preis, der ja nie ins Fernsehen wollte, sondern lieber „zu Hause bleibt, um die Wandtapete anzustarren“.