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Archiv-Artikel

Karlsruhe billigt Hunderasselisten

Bundesverfassungsgericht bestätigt Einfuhrverbot für vier Kampfhundrassen, die als besonders gefährlich gelten: Bullterrier, Pitbull Terrier, American Staffordshire Terrier und Staffordshire Bullterrier. Der Bund durfte jedoch kein Zuchtverbot erlassen

AUS KARLSRUHECHRISTIAN RATH

Auf die Hunderasse kommt es doch an. Das Bundesverfassungsgericht hält es für vertretbar, dass sich die Politik gegen gefährliche Hunde auf manche Rassen konzentriert. Damit scheiterte eine Klage von 52 Züchtern und Hundehaltern im entscheidenden Punkt.

Im Jahr 2000 hatte ein Kampfhund in Hamburg ein sechsjähriges Kind getötet. Darauf hatten viele Bundesländer und auch der Bund Gesetze gegen aggressive Hunde erlassen. Gestern wurde in Karlsruhe das Bundesgesetz geprüft, das 2001 die Einfuhr und Zucht von vier als besonders gefährlich geltenden Hunderassen verbot. So wollte der Bund dafür sorgen, dass es in Deutschland bald keine Bullterrier, Pitbull Terrier, American Staffordshire Terrier und Staffordshire Bullterrier mehr gibt.

Die Kläger hielten das Gesetz für „völlig ungeeignet und damit verfassungswidrig“, weil es an bestimmten Hunderassen ansetzt. „Jeder Hund kann gefährlich sein, entscheidend ist die Zuverlässigkeit des Halters“, betonte Anwalt Jan Ziekow bei der mündlichen Verhandlung.

Dem folgte Karlsruhe nun jedoch nicht. Die Annahme, dass manche Hunderassen besonders gefährlich sind, sei „vertretbar und nicht offensichtlich unrichtig“. Der Bund durfte daher ein Einfuhrverbot für die vier Bullterrier-Rassen erlassen. Es gebe zwar keine verlässlichen Beißstatistiken, aber die vorliegenden Zahlen deuteten darauf hin, dass die Bullterrier im Vergleich zu anderen Hunderassen „erheblich mehr beißen, als es ihrem jeweiligen Bestand entspricht“, hieß es zur Begründung. Ob dies allein genetische Ursachen hat, ließen die Richter offen. Möglich könnte auch sein, dass bestimmte Kreise eine Vorliebe für die umstrittenen Rassen pflegen.

Die von den Züchtern vorgeschlagenen „Wesensprüfungen“ für jeden einzelnen Importhund hielten die Richter für keine verlässliche Alternative. Eine derartige Prüfung sei nur eine „Momentaufnahme“ – es gebe Beispiele von Hunden, die trotz bestandenem Wesenstest später zubissen. Außerdem seien solche Tests zu aufwändig für einen effektiven Gesetzesvollzug.

Angesichts der drohenden Gefahren für Leib und Leben von Menschen müssten die beruflichen und privaten Interessen der Züchter und Hundehalter zurücktreten, erklärten die Verfassungsrichter. Dem Gesetzgeber wurde allerdings aufgegeben, genau zu beobachten, ob sich die zugrunde liegenden Gefährlichkeitsannahmen bestätigen.

Erfolg hatten die Kläger an einem anderen Punkt. Der Bund durfte kein Zuchtverbot für die vier Rassen erlassen, weil hierfür die Länder zuständig sind. Der Bund hatte sich darauf berufen, dass er die Kompetenz für den Tierschutz habe. Das überzeugte die Richter jedoch nicht, schließlich gehe es hier nicht um den Schutz der Tiere vor dem Menschen, sondern um den Schutz von Menschen vor gefährlichen Tieren, wie Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier erläuterte. Manche Bundesländer, wie Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, haben bereits eigene Zuchtverbote erlassen, hier hat der Wegfall der Bundesregelung wohl keine Folgen. Andere Bundesländer wie Berlin oder Brandenburg müssen ihre Gesetze bei Bedarf nachbessern.

Neben dem Bundesgesetz bestehen in fast allen Bundesländern eigene Regelungen, die neben Maulkorb- und Leinenzwang auch bestimmten, welche gefährlichen Hunde getötet und unfruchtbar gemacht werden müssen. Diese Gesetze beruhen meist ebenfalls auf Rasselisten, sehen oft aber auch die Möglichkeit vor, eine Gefährlichkeits-Vermutung beim konkreten Hund zu widerlegen. Gegen die Landesgesetze sind in Karlsruhe noch rund ein Dutzend Verfassungsbeschwerden anhängig, die in den nächsten Tagen entschieden werden sollen. Nach dem gestrigen Urteil dürften die Landesgesetze im Wesentlichen wohl bestätigt werden.

Gestern entschied Karlsruhe bereits, dass Verstöße gegen die Landesgesetze nicht mit einer bundeseinheitlichen Strafe geahndet werden dürfen, weil die Landesregeln zu unterschiedlich sind. Im Strafgesetzbuch war Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe angedroht. Die Länder müssen ihre Gesetze nun mit eigenen Strafnormen versehen, wenn sie Wert auf Strafdrohungen legen.

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