: Sogar den Hof gefegt
Begehung des Bauwagenplatzes Gaußstraße durch Hamburger Behörden-Vertreter verlief anders als geplant. Verabschiedung mit Handschlag
von KAI VON APPEN
„Auf der Sozi könntest Du jetzt gleich wieder nach Hause gehen, mit dem Hinweis, kommen sie nächstes Jahr wieder!“ sagt eine Bewohnerin des Bauwagenplatzes Gaußstraße, als sich der angekündigte Besuch verspätet. In der Tat: Sie kommen mit 15 Minuten Verspätung, aber dafür in großer Zahl. Elf Vertreter aus den Hamburger Behörden Bau und Verkehr, Umwelt- und Gesundheit, Innen- sowie Justizbehörde und der Feuerwehr, angeführt von Vertretern des Bezirksamtes Altona. Die Vorgabe des Rechtssenats: Was könnte an Gründen gefunden werden, den Vertrag mit dem Verein „Vogelfrei“ nicht zu verlängern.
Für die behördlichen Herren beginnt der Besuch mit einer Überraschung: Die ansonsten eher pressescheuen BewohnerInnen haben vereinzelte Medien eingeladen, um das Event beobachten zu können. Einigen Behördenvertretern ist das Unbehagen förmlich ins Gesicht geschrieben. Doch der amtierende Bezirksamtschef Kersten Albers und Straßensozialarbeiter Wilhelm Wenzel können schnell – jeder auf seine Art – zur Entspannung der Atmosphäre beitragen. „Herr Huber, sie müssen herkommen und sich alles ansehen“, fordert Albers den Vertreter der Baubehörde mehrfach auf, sich über den Stand der sanitären Anlagen zu informieren. Wenzel zeigt auf einen Container, in dem gerade ein behindertengerechtes Klo eingerichtet wird. „Gibt es keine Dusche?“, glaubt Huber einen Makel gefunden zu haben. „Doch“, erwidert Wenzel und öffnet die Tür zur Dusche.
Der Vertreter der Feuerwehr zeigt auf die manchmal enge Besiedelung. Auch den Abstand zum leerstehenden Neubaukomplex Vivo hält der Brandexperte für problematisch, „wenn mal was passiert“. Ein Bewohner gibt Kontra. „Wir dürfen bis an die Grenze des Geländes stehen.“ Der Feuerwehrmann witzelt. „Dann muss das Vivo eben ein paar Meter versetzt werden.“
Langsam lockert die Atmosphäre auf, es entwickeln sich einzelne Gespräche zwischen den Besuchern und BewohnerInnen, es werden Scherze gemacht. „Der Hof ist ja gefegt worden“, bemerkt jemand, worauf Albers süffisant anmerkt: „Man fühlt sich richtig in den Arm genommen – besser als auf den Arm genommen.“ Immer wieder finden Beete das Interesse des Bezirksamtschefs. „Was ist das?“ „Geranien!“, erwidert eine Frau, „Und das?“ „Erbeeren!“ Albers witzelt: „Die nächste Mal kommen wir zur Erdbeerzeit.“ Albers lotst die Fotografen zu Kuriositäten. „Müssen sie mal fotografieren für ihr Archiv.“ Der Satz mündet angesichts des schönen Wetters in der grotesken Bemerkung „Für ihre Story: ‚Der schönste Wohnwagenplatz der Welt‘.“
Nach 45 Minuten scheint der Besuch in harmonischer Atmosphäre zu enden. Lediglich Fragen zum Brandschutz gibt es noch. „Wenn eine Bude brennt, brennt die daneben auch ab“, wirft noch mal der Feuerwehrmann in die Runde. „Es gibt viele Hunde, die sofort anschlagen“, erläutert ein Bewohner. „Wir haben mehrere Hydranten und Schläuche zum Löschen.“ Der Brandexperte gibt sich erstmal zufrieden. „Wenn es eine Entscheidung für eine Verlängerung gibt, müssen die Details geklärt werden“, ergänzt Albers. „Da sind wir ja flexibel“, so die Antwort. Und selbst Huber von der Baubehörde wirkt zum Schluss des Besuchs aufgetaut. „Meine Neugier ist befriedigt“, verabschiedet er sich bei vielen mit Handschlag.
Vorangegangen war der Begehung eine politische Kontroverse. Die Schwarz-Schill-Hardliner streben die Räumung der Wagenburg an. Der Bezirk Altona sieht keinen Grund, den Vertrag nicht bis Ende 2005 zu verlängern. Die politische Frage ist nun: Kann der Rechts-Senat den Bezirk überhaupt anweisen den Vertrag nicht zu verlängern und aus welchen Gründen?