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Archiv-Artikel

eject CHRISTOPH SCHULTHEIS nicht über Effenberg, sondern nur über die „Bild“-Zeitung und das Wetter

Warnhinweis

Ehrlich: Es bräuchte gar keinen einen aktuellen Anlass, um sich das einfach mal wieder 100 Zeilen lang kurz klar zu machen. Soll sich die Bild-Zeitung doch freuen drüber. Wenn sie will …

Nein, ehrlich: germania est omnis divisa in partes tres – und letzlich (wenn man die Totalverweigerer vernachlässigt) sogar nur in zwei: in Bild-Leser nämlich und, wie soll man sagen, Bild-Rezipienten, also Bild-Leser mit Bildung – Sie wissen schon, diejenigen, die die Kolumnen von Franz Josef Wagner irre finden oder behaupten, sie verstünden, warum Oskar Lafontaine in der Bild schreibt und die Harald-Schmidt-Redaktion jeden Tag ihre besten Sprüche zum Abdruck an das Blatt faxt. Die anderen, eigentlichen Bild-Leser sind wie eh und je natürlich die Bauarbeiter und Bäckereifachverkäuferinnen – Sie wissen schon: igitt. Na ja, nennen wir sie lieber Bild-Leser, die ihre Bild in der Pause lesen – oder belassen’s dabei, dass es Bild-Leser gibt und Süddeutsche-Leser, die Bild lesen. Klar, oder?

Und jetzt könnte man endlich auf den Sportler Stefan Effenberg zu sprechen kommen. Sie warten doch schon drauf, weil der doch schon da oben in der Überschrift vorkommt, aber es geht auch ohne. Denn Sie kennen diese ganzen Bild-Geschichten (also alle, an die auch Sie jetzt denken) doch ohnehin. „Schönes Wetter heute“, sagt Ihre Bäckereifachverkäuferin; „ähm, schönes Wetter heute“, sagt auch Ihr Kollege. Doch mehr noch als der jüngste Temperaturrekord ist mittlerweile die Bild-Schlagzeile probater Gesprächsstoff in allen Lebenslagen – und zwar so selbstverständlich und gesellschaftsübergreifend, dass wir uns nur mit Mühe (dann aber doch, dunkel) erinnern, dass das vor gar nicht allzu langer Zeit noch anders war.

Im Zeitalter der Popkultur und -politik aber, also jetzt, wo Ironie längst Mainstream ist, hat der Gaga-Effekt das Massenblatt Bild gesellschaftsfähig gemacht. Unisono ist Bild nicht mehr nur bäh, sondern auch boah. Kaum dass irgends Bild draufsteht, ist’s auch schon Thema – unabhängig vom Nachrichtenwert und egal, ob’s nun Knüller oder Flop oder nur eine miese Montage ist.

Und man muss sie nicht mal mehr kaufen, die Bild, denn früher oder später kommt sowieso einer und sagt: „Haste gelesen?!“ Und wenn nicht, erfährt man’s vorabends im Fernsehen. Oder bei AOL. Und anderntags sogar in den Feuilletons, die plötzlich jeder liest, weil sie genau so bebildert sind wie die Litfaßsäule am Eck. Und wenn dann wegen einer nichtigen Bild-Kampagne die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung kürzlich ein paar entnervte Gedankenspiele von Claudius Seidl abdruckte, wird plötzlich deutschlandweit über Eliten debattiert. (Nicht schlimm, wenn Sie’s nicht mitgekriegt haben; schlimm, dass dem so ist.)

Die sich ausbreitende Erkenntnis jedenfalls, dass der berühmte Satz, man könne, was man schwarz auf weiß besitze, getrost nach Hause tragen, ungefähr so glaubwürdig ist, als hätte ihn Bild-Chef Kai Diekmann gesagt, hat den Traditionstitel Bild nicht etwa in den verdienten Ruin geschickt, sondern seinen Erfolg vervielfacht. „BILD wirkt“, heißt es bei Bild. „Es wirkt“, hieß es in der Wick-MediNait-Reklame. Den dazugehörigen Warnhinweis („kann Ihre Re(d)aktionsfähigkeit beeinträchtigen“) überliest man erst in der Packungsbeilage. Oder hier.