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Archiv-Artikel

Mathematiker setzt auf Hanf

Im Jahr 1996 gründete Rainer Nowotny eine Fabrik. Inzwischen verarbeitet er dort jährlich 5.000 Tonnen Hanf zu Dämmstoffen für 600 Eigenheime – fast ohne Abfälle

Rainer Nowotny ist als Musiker von einem Konzert zum nächsten gezogen. Er hat einen Kompositionscomputer entwickelt und Gedichte geschrieben. „Irgendwann wollte ich mich beruflich neu ausrichten, mit Landwirtschaft und Ökologie zu tun haben. Beim Hanf ging die Rechnung auf“, erzählt der Berliner Mathematiker. 1996, als der Hanfanbau wieder legalisiert wurde, gründete Nowotny mit einem Partner in Prenzlau (Uckermark) die nach eigenen Angaben erste und einzige hanfverarbeitende Fabrik Ostdeutschlands.

„Alles musste neu entwickelt werden – von der Faseraufbereitungsanlage bis zu den Prüfnormen für die Produkte“, erinnert sich der Gründer, der 3 Millionen Euro investierte. Vor zehn Jahren lief die Produktion an. Inzwischen werden rund 5.000 Tonnen Hanf pro Jahr verarbeitet. „Mit unserer Hanf-Dämmwolle und der Hanf-Lehm-Schüttung können wir jährlich bis zu 600 Eigenheime versorgen“, sagt Nowotny, der die Fabrik jetzt als Einzelunternehmer mit zehn Mitarbeitern betreibt.

Die Isolierung mit Naturstoffen schütze nicht nur vor Kälte, sondern auch vor Wärme und verhindere die Ansammlung von Feuchtigkeit, erklärt er. Darüber hinaus benötige die Herstellung der natürlichen Dämmstoffe gegenüber etablierten Materialien nur 10 Prozent der Energie. „In unserer Fabrik gibt es so gut wie keine Abfälle – bis auf den Joghurtbecher aus der Frühstückspause“, sagt der 44-Jährige. Der bei der Faseraufbereitung anfallende Staub wird in einem Kraftwerk zu Strom.

Gute Erfahrungen mit Hanf hat die Naturschule Prenzlau gemacht, wo in diesem Jahr 22 Tonnen Naturdämmstoff verarbeitet wurden. „Im Sommer ist das Raumklima trotz großer Fenster angenehm gewesen“, sagt Schulleiterin Anke Heiden. „Hitzefrei gab es nicht.“

Neben der Arbeit an Dämmstoffen sucht Nowotny mit Partnern immer wieder nach neuen Möglichkeiten zur Nutzung von Hanf. In seinem Büro präsentiert er einige Produkte: Teile zur Innenverkleidung von Autos, Saxophon- sowie Laptopkoffer, CD-Hüllen oder Schraubenkasten. All diese Gegenstände bestehen aus Kunststoffen und den stabilisierenden Hanffasern. Selbst Jeanshosen aus Hanfgewebe wurden getestet. Doch sie konnten sich nicht etablieren.

Landwirte haben den Hanf in diesem Jahr auf rund 700 Hektar für die Prenzlauer Fabrik angebaut, vor allem in Vorpommern. In Brandenburg allerdings geht der Hanfanbau zurück. „Energiepflanzen für Biogasanlagen sind attraktiver geworden“, sagt Nowotny. ANJA SOKOLOW, DPA