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Archiv-Artikel

Böser Streit ums Café Übersee

Bremens Kultursenator will den Pächter der Event-Gaststätte loswerden und verweigert ihm Entschädigungszahlungen für Bau-Beeinträchtigungen. Schick und teuer soll es im Foyer des Überseemuseums werden. Mickan: Das passt hier nicht hin

Von kawe

taz ■ „Trotz Baustelle – das Restaurant ist geöffnet“ steht am Eingang des Überseemuseums. Trotz des Schildes ist das Café Übersee oft leer. Wenn der Himmel lacht und vor dem Museum die Sonnenschirme aufgespannt sind, kommen die Gäste, und dann drückt die Bedienung ihnen Postkarten in die Hand, auf denen steht: „Sie fühlen sich wohl in Übersee? Sie wollen wiederkommen? Dann beeilen Sie sich besser, denn: Das Übersee soll kaputt gemacht werden ...“ Die Protestbotschaften sollen direkt an Kultursenator Kuno Böse (CDU) geschickt werden, denn der hat jüngst eine Räumungsklage gegen den Pächter Ulrich Mickan angestrengt.

Warum? Er soll weg, die Kulturbehörde will ein schickes Konzept und zahlungskräftigeres Publikum – wie im Theatro, davon ist Pächter Mickan überzeugt. Da ist er im Wege. Seine Philosophie ist: „Man muss nur gucken, wer hier ins Museum geht: Das sind Familien mit Kindern.“ Die machen nur Pause im Café, wenn die Preise nicht so schick sind. Mickan hat einen Vertrag, der ihm bis zum Jahre 2015 die Nutzung einer Fläche von 550 Quadratmetern zusichert – ihn aus diesem Vertrag seriös hinauszukaufen wäre sicherlich teuer.

Als Mickan Anfang der 90er Jahre das Café Übersee aufmachte, da interessierte sich niemand für den gastronomisch toten Standort. Mickan war bekannt dafür, dass er Gastronomie als „Event“ inszenieren konnte, im „Oblomow“ und im „Sewastopol“ hatte er das mit Erfolg vorgemacht. Gäste wollen nicht nur essen und trinken, sie verbinden gern eine Atmosphäre damit, davon ist er überzeugt. Nicht einmal die Stühle des Cafés sind bei ihm ganz normal. Weltnacht-Partys fanden im Foyer des Übersee-Museums statt, und Irak-Bilder hingen in dem Vortragsraum. Als im Frühjahr die Blaue Karawane ihren Treffpunkt in Walle verloren hatte, stellte er ihr publicity-wirksam einen Raum als „Cafe blau“ zur Verfügung. Solche „Events“ sind inzwischen für den Vermieter, den Kultursenator, ein Anlass für juristische Schritte gegen den Pächter.

Ein Vorwand, findet Mickan. Für ihn stellt sich der Fall eindeutig dar: Seit bald zwei Jahren wird gebaut in dem Bereich, den er gepachtet hat. Nie wurde er ernsthaft einbezogen in die Planungen. Und bis heute hat er keinen Cent Entschädigung bekommen. Das Anwaltsbüro Ahlers&Vogel hat einmal für die Zeit bis April 2002 eine Summe von 65.000 Euro für Mickan gefordert. Das Kulturressort als Vermieter hat die Fides mit einer Schätzung beauftragt und ist, so sagt der Vorsitzende des Freundeskreises vom Überseemuseum, der Spediteur Arend Vollers, auf eine ähnliche Summe gekommen. Vollers war vom Kulturressort um Vermittlung gebeten worden. „Unstreitig hat das Überseemuseum in die Gastronomie vertragswidrig eingegriffen“, schrieb der Freundeskreis des Museums im Oktober 2002 an den Kultursenator. Und kam auf Schadensersatz-Ansprüche von 656.000 Euro als Ersatz für die vertraglich noch auf 14 Jahre zugesagten Pachtflächen, auf deren Bewirtschaftung Mickan verzichten soll.

Angesichts dieser Dimensionen erlosch die Verhandlungsbereitschaft des Kultursenators. Bei der Neuplanung des Übersee-Museums hatte man Entschädigungen für die Gastronomen überhaupt nicht einkalkuliert, der Architekt hat erst nach Abschluss seiner Planungen um eine Kopie der Gastronomie-Verträge gebeten, die das Kulturressort mit Mickan abgeschlossen hatte. Weil das Ressort die Entschädigungszahlungen verweigerte, strengte Mickan einen Prozess an, Termin vor dem Landgericht ist nun am 19. Juni.

Im Hinblick auf die Entschädigungsansprüche minderte er seine Pacht – dies wiederum moniert das Kulturressort als „Verletzung der vertraglichen Verpflichtungen“. Was Mickan besonders ärgert: Erst weigert sich das Kulturressort, Entschädigungszahlungen zu leisten, und dann redet der Ressortsprecher öffentlich davon, dass es dem Pächter hinter dem Baustellenschild wirtschaftlich sowieso nicht gut gehe. Fünf fristlose Kündigungen hat der Pächter bisher bekommen. „Ich habe hier viel investiert und will hier nicht raus“, sagt er trotzig. Und da gerade Wahlkampf ist, mischt er sich mit seiner Postkarten-Aktion im Wahlkampf-Stil ein, in eigener Sache. kawe