: In Hamburg droht Einfalt statt Vielfalt
Das neue Mediengesetz des konservativen Senats fördert den Dudelfunk – und schafft den Offenen Kanal ab
HAMBURG taz ■ Dem ohnehin schon recht dümmlichen Privatfunk sind in Hamburg künftig keine Grenzen mehr gesetzt. Mit dem novellierten Mediengesetz, das die Bürgerschaft Anfang Juni beschließen soll, werden den privaten Radiosendern keinerlei Verpflichtungen mehr zur Gestaltung ihres Programms auferlegt werden. So müssen die Sender künftig keinen speziellen Mindestwortanteil bei ihren Sendungen mehr vorweisen. Gleichzeitig wird unterdessen dem Offenen Kanal komplett der Saft abgedreht.
47.000 Sendungen hat der Offene Kanal, das Bürgerradio und -fernsehen der Hansestadt bisher produziert, wobei türkisches Frühstücksradio ebenso auf dem Programm steht wie das schwulenpolitische TV-Magazin „Homo Viel“. „Es droht die totale Verdudelung“, befürchtet die Opposition aus SPD und GAL. Und auch die Landesmedienanstalt HAM lehnt die Senatspläne ab. Die Änderungen des Landesmediengesetzes gehen vor allem auf das Betreiben des kleinsten Koalitionspartners im Hanse-Senat, die FDP, zurück. Deren Medienpolitiker im Bundestag, Hans-Joachim Otto, jubelt denn auch, „in Hamburg breche der medienpolitische Frühling aus“. Seine grüne Kollegin Grietje Bettin spricht dagegen von „einer ernsthaften Bedrohung für die Medienlandschaft“.
Persilschein für Private
Was die FDP so freut und den Grünen gleichzeitig große Sorgen bereitet, ist vor allem der Freifahrtschein fürs Privatradio. „Hier werden jegliche inhaltlichen Ansprüche aufgegeben“, bedauert Dietrich Sattler, als Vorsitzender der HAM oberster Medienwächter der Hansestadt. Mit der Ankündigung „Die Minutenzählerei ist vorbei“ hat der Senat vor allem dem bisherigen privaten Marktführer in der Stadt, Radio Hamburg, den roten Teppich ausgerollt. Der Sender hat nun nicht nur die Möglichkeit, Umfang und Länge seiner Nachrichten nach eigenem Gusto zu bestimmen. Er darf darüber hinaus künftig den gesamten Nachrichtenblock auch an andere kleinere Mitbewerber verkaufen: „Dadurch wird nur Einfalt gefördert, wenn auf sechs Sendern dieselben Nachrichten laufen“, kritisiert Sattler.
Sattler selbst ist nach Inkrafttreten des Gesetzes ohnehin nur noch ein Vorstand auf Abruf. Der Senat hat in den Entwurf ebenfalls hineingeschrieben, dass das künftige Leitungsgremium der Anstalt radikal verkleinert und sein Personal direkt unter Kontrolle des Hamburger Parlaments gestellt wird. Bei den gegenwärtigen Mehrheitsverhältnissen in der Bürgerschaft muss man kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass nach der nächsten Vorstandswahl kaum noch kritische Stimmen zur Medienpolitik aus dem Gremium zu vernehmen sein dürften.
Geschlossener Kanal?
Dagegen dürfte die Entscheidung, den Offenen Kanal in seiner bisherigen Form unter der Trägerschaft der HAM zu schließen und ihn stattdessen der halbprivaten Ausbildung der Hamburg Media School (HMS) anzugliedern, noch zahlreiche Proteste hervorrufen. Dort soll er als „Ausbildungs- und Bürgerkanal“ vor allem als Übungsfeld der dortigen Studierenden dienen – die Schule bildet jedoch gar keine Journalisten aus, sondern vorrangig Medienmanager.
Während die Media School mit ihrem Geschäftsführer Jan Henne de Dijn treuherzig versichert, dem Bürgerfunk auch weiterhin eine Plattform zu bieten, wird der Offene Kanal ab dem 1. Juli erst einmal für mindestens ein halbes Jahr abgeschaltet. So langte brauche die Schule, um sich auf die Übernahme des Kanals vorzubereiten. Man wolle damit vor allem die Qualität und Professionalität des Offenen Kanals schärfen, hat der Senat offiziell begründet. Kritiker vermuten allerdings: Die Media School, ein Lieblingsprojekt des Rechtssenats, kommt mit der privaten Finanzierung über Sponsoren nicht so recht voran. Durch die Übernahme des Offenen Kanals sichert sich die Schule knapp 600.000 Euro im Jahr an Rundfunkgebühren, die bisher an den Bürgerfunk geflossen waren. Und ob dann wieder türkisches Morgenradio und Schwulenmagazin die Schwerpunkte eines Kanals unter dem Dach der Media School sein werden, bezweifeln Skeptiker nicht zuletzt mit Blick auf die Vergangenheit des HMS-Chefs. De Dijn hat zuvor den Teleshopping-Kanal H.O.T. gemanagt. PETER AHRENS