: „Wir müssen klären, warum wir Frauen abschrecken“
Daniel Bahr, Chef der Jungen Liberalen, kritisiert FDP-Parteitagsregie: Diskussion über Frauenförderung hätte nicht abgewürgt werden dürfen
taz: Herr Bahr, Generalsekretärin Cornelia Pieper wurde auf dem Parteitag am Wochenende abgestraft; der FDP-Chef und seine drei Stellvertreter sind männlich. Warum sollten Frauen die Liberalen wählen?
Daniel Bahr: Frauen entscheiden sich nicht nach dem Wahlergebnis von Cornelia Pieper auf einem Bundesparteitag. Allerdings wählen uns Frauen nicht so oft wie Männer. Wir müssen den Frauenanteil in unseren Führungspositionen erhöhen.
Cornelia Pieper wollte über eine Quote nachdenken – aber der Parteivorstand blockierte.
Die Quote ist kein Allheilmittel, sondern nur letztes Mittel.
Warum? Bei den Grünen hat sie funktioniert.
Liberale sind gegen Zwangsmaßnahmen und für Wettbewerb. Sonst haben wir eine ausufernde Diskussion über Quoten für Junge und Alte, Frauen und Männer und weitere Gruppen.
Nur etwa 20 Prozent der FDP-Bundestagsabgeordneten sind weiblich. Sind liberale Frauen zu dumm für den Wettbewerb?
Nein! Es gibt offensichtlich Hemmschwellen, die den Wettbewerb behindern. Ich würde der FDP empfehlen, sich von außen beraten zu lassen, was die Frauen abschreckt.
Dieser Antrag wurde von den liberalen Frauen gestellt. Die Mehrheit der Delegierten war dagegen, ihn zu behandeln.
Ein Fehler. Wenn wir Frauen gewinnen wollen, dann dürfen wir nicht durch Parteitagsregie verhindern, dass Anträge diskutiert werden. Das passt ins Bild, das viele Frauen von Parteien haben: männerlastig, und es geht um Machtspielchen und Kungeleien.
Westerwelle scheint das Frauenthema unwichtig zu finden. In seiner Rede gab es ganze zwei Sätze zur Familienpolitik.
Eindeutig zu wenig. In jeder Rede und jeder Talkshow muss die Führungsriege versuchen, Frauen anzusprechen.
Wie?
Es reicht nicht, nur auf Familienpolitik zu setzen – nach dem Motto, das ist das Frauenthema. Familienpolitik muss auch Männerthema sein, und außerdem interessieren sich Frauen für alle Themen. Das Problem ist eher, dass die FDP zu wenig Schwerpunkte hat. Momentan sind wir nur in der Wirtschaftspolitik und in der Bildungspolitik stark.
Die FDP-Frauen glauben, dass Westerwelle sie nicht unterstützt, weil er zu schwach ist.
Die Frauen sollten nicht denken, dass es reicht, dass sich jemand für einen einsetzt. Man muss auch selbst aktiv werden. Wie man das macht, haben die jungen Liberalen vorgeführt: Wir wollten unseren Anteil in der Bundestagsfraktion und im Vorstand erhöhen. Also haben wir den Anspruch erhoben, haben uns vernetzt, inhaltlich vorbereitet, Unterstützung organisiert und dann Kampfkandidaturen riskiert. Und es hat geklappt, ganz ohne Quote.
Merkwürdig: Auch bei den jungen Liberalen setzen sich vor allem Männer durch.
Wir arbeiten dran. Wenn sich nichts ändert, werden wir auch über die Quote erneut diskutieren. INTERVIEW: ULRIKE HERRMANN