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Archiv-Artikel

Der Zweifel der Ärzte

Gröpelinger Mediziner protestieren gegen Gesundheitsreform. Gesundheit „keine handelbare Ware“

Von sgi

Bremen taz ■ In einem offenen Brief haben sich jetzt Allgemeinärzte aus dem Bremer Westen zu den Folgen der Gesundheitsreform zu Wort gemeldet. „Viele arme Patienten, die einkommensmäßig auf Sozialhilfeniveau stehen, kommen einfach nicht mehr, weil zehn Euro (Praxisgebühr, d. Red.) für sie viel Geld sind“, erklären die Hausärzte Eckehard Laue, Manfred Steinkohl und Katrin Grieser, die für sich und acht weitere KollegInnen sprechen. „Wir wollen der zunehmend um sich greifenden Ökonomisierung im Gesundheitsbereich entgegentreten“, so die Gruppe weiter.

„In unseren ärztlichen, intimste Ebenen berührenden Tätigkeiten bitten wir regelmäßig um das Vertrauen unserer Patienten“, sagen die Ärzte und erklären: „Niemals darf dieses Vertrauen beschädigt werden.“ Die Patienten müssten sich darauf verlassen können, „dass wir parteiisch auf ihrer Seite stehen.“ Das Verhältnis zwischen Arzt und Patient sei eben kein Verhältnis zwischen Verkäufer und Kunden, Gesundheit sei keine handelbare Ware. Doch diesen Anspruch aufrechtzuerhalten, „wird in der für viele niedergelassenen Ärzte mittlerweile wirtschaftlich immer prekärer werdenden Situation deutlich schwieriger“, so Laue und Co. Die Ärzte klagen über den Verfall ihrer Honorare – pro Quartal kann ein Allgemeinarzt zwischen 45 und maximal 110 Euro Behandlungshonorar abrechnen, auch wenn der Patient mehrfach oder aufwändig behandelt werden muss – und stets wachsende Anforderungen zur Dokumentation ihrer Arbeit, vulgo: Papierkram. Hier hatte die Bremer Ärztekammer bereits vor Wochen öffentlich erklärt, dass dieser Bereich den Ärzten immer mehr wertvolle Arbeitszeit nehme, die dann für die Behandlung von Patienten fehle.

„Nicht nur Fürsprecher“ finde die Gesundheitsreform und die mit ihr „als Allheilmittel propagierte Ökonomisierung der Medizin“, schreiben die Verfasser des offenen Briefs. Den „politischen/gesellschaftlichen Entscheidungsträgern“ sei daher „dringend deutlich zu machen, welch kostbares Gut mit einem vertrauensvollen Arzt/Patienten-Verhältnis so unbedacht aufs Spiel gesetzt wird.“ Die Gröpelinger ÄrztInnen formulieren vornehm – aber ihre Botschaft ist dennoch klar: Wenn Ärzte gezwungen werden, wirtschaftliche über medizinische Kriterien zu stellen, gefährdet oder zerstört das das Vertrauen ihrer Patienten und damit eine der wichtigsten Grundlagen ihrer Arbeit. „Ärztliches Tun ist primär immer den Einzelnen verantwortlich“, mahnen die Allgemeinmediziner aus dem Bremer Westen, „die dafür aufzuwendenden Ressourcen hingegen müssen gesamtgesellschaftlich definiert, begrenzt und letztlich auch verantwortet werden.“ sgi