: „Wir kriegen, wofür wir zahlen“
Jochen Witt will die Kölnmesse zum attraktivsten Standort in Europa machen. Der Messe-Chef über den Neubau von vier Hallen, über Cross-Border-Leasing-Geschäfte und Korruptionsanfälligkeit
INTERVIEW SEBASTIAN SEDLMAYR UND FRANK ÜBERALL
taz: Herr Witt, die Kölnmesse wird demnächst kräftig umgebaut. Wird das Arbeitsplätze schaffen?
Jochen Witt: Im Moment stellen wir noch keine neuen Mitarbeiter ein. Aber es wird Auswirkungen geben. Wir generieren heute durch die Veranstaltung von Messen 10.000 Vollzeit- und bis zu 50.000 Teilzeit-Arbeitsplätze. Dieser Effekt wird bestehen bleiben und sich hoffentlich durch die Ausweitung des Geschäfts erhöhen.
Auf welche Geschäftsbereiche wollen Sie sich in Köln konzentrieren?
Unsere Kompetenzen und Geschäftsbereiche bilden gewisse Themenspektren ab. Wir haben mit der Entsorga beispielsweise eine Messe, zu der thematisch die neue Emissionshandel-Messe „Carbon Expo“ passt. In solchen Bereichen wollen wir wachsen. Wir werden natürlich auch andere Veranstaltungen, die außerhalb der Kernkompetenzen liegen, nicht ablehnen. Aber unser Fokus liegt auf den Kernkompetenzen und vermehrt im Bereich größere Investitionsgüter.
Die Popkomm ist weg, das Medienforum hat – so heißt es aus der Politik – „noch einen Schuss frei“. Gehören Medien also künftig nicht mehr zu den Schwerpunkten?
Das kommt darauf an, wie Sie „Medien“ definieren. Wir haben die Photokina, die nach meiner Definition Medien in Reinform präsentiert. Wir sehen sie nicht als eine IT-Messe. Die Photokina zeigt „das Bild“. Sie steht in diesem Jahr unter dem Motto „Imaging is more“. Die letzte Photokina ist sehr gut gelaufen. Ich kann schon heute sagen, dass auch die diesjährige ein großer Erfolg werden wird. Das Thema Medien wird also ein Schwerpunkt bleiben. Der Weggang der Popkomm ist für die Stadt bedauerlich.
Warum sind die neuen Hallen, die Sie planen, so wichtig?
Wir wollen keine Flächenausweitung, sondern eine Qualitätsverbesserung. Unsere jetzigen Planungen orientieren sich an den Ansprüchen an ein modernes, flexibel nutzbares Messegelände. Man muss natürlich sagen: Wenn RTL hier nicht eingezogen wäre, hätten wir die Neubauten nicht finanzieren können. Erst durch die Erlöse aus dem Verkauf des Areals können wir unseren Qualitätsfokus ausbauen.
Der Bahnhof Köln-Deutz wird im Dezember diesen Jahres umbenannt in „Bahnhof Köln Messe/Deutz“. Hat die Bahn AG dafür Gegenleistungen bekommen?
Wir haben einen geringen Betrag bezahlt für die europaweiten Umstellungskosten im Fahrplan.
Ist die Finanzierung durch die Bahn AG, die sie für die Gestaltung des neuen Eingangsbereichs benötigen, gesichert?
Nein. Da gibt es Verhandlungen. Wir reden über vielleicht 150 Millionen Euro. Das ist, überspitzt gesagt, in etwa die Größenordnung für die monatlichen Zinsen der Baustelle Lehrter Bahnhof in Berlin – für die Bahn also keine besonders große Summe. Seit Mitte der 80er Jahre war bekannt, dass im Jahr 2003 der erste ICE in Deutz hält. Aber darum hat sich niemand gekümmert. Seit Jahren passiert da nichts. Man muss mal hinterfragen, wo die Bahn anderswo investiert hat und fragen: War das denn sinnvoll? Fest steht: Der Bahnhof Köln Messe/Deutz wird der wichtigste Verkehrsknotenpunkt des Bahnnetzes in Westeuropa werden.
Wenn wir das Versprechen der Bahn ernst nehmen, die Fahrtzeiten zu verkürzen, dann wird es sich eine Bahn AG nicht mehr erlauben können, für Umsteigezwecke zweimal zu halten: einmal am Hauptbahnhof und einmal am Deutzer Bahnhof. Der gesamte nicht-kommunale Verkehr wird nach Deutz verlagert. Damit ist ein Ausbau Pflicht. Wir hängen mit der Gestaltung unseres eigenen Eingangsbereichs von den Planungen der Bahn AG ab und damit wie an einem Fliegenfänger.
Der Esch-Fonds, der Ihre neuen Hallen finanziert, ist in Köln ja kein Unbekannter. Machen Sie sich Sorgen?
Nein, der Esch-Fonds hat sicherlich ein Interesse daran, möglichst viel Geld zu verdienen. Unser Interesse dagegen ist es, möglichst optimale Qualität nach unseren Wünschen zu bekommen. Seien Sie versichert, dass wir unsere Interessen wahren werden und das kriegen, wofür wir bezahlen.
Bekommen Sie kalte Füße, wenn Sie das Wort Cross-Border-Leasing hören?
Nein.
Der Innenminister Nordrhein-Westfalens schon. Er warnt vor neuen Geschäften dieser Art. Macht Sie das nicht nachdenklich?
Wir haben sehr gut überlegt und die Vor- und Nachteile abgewogen. Natürlich sind, wie bei jedem Geschäft, Risiken da, die aber akzeptabel sind. Insgesamt betrachtet ist das Hauptrisiko, dass sich aufgrund irgendwelcher Umstände die Struktur des verleasten Areals ändert, dass also Messegesellschaften nicht mehr Messen machen, oder dass Abwasserleitungen nicht mehr für Abwässer genutzt werden. Aber ich gehe davon aus, dass auch in solchen Fällen nicht der US-Fiskus das ganze auf den Kopf drehen würde, sondern dass es dann zwischen Deutschland und den USA eine politische Lösung gäbe, da die Zahl der Beteiligten und das Finanzvolumen inzwischen enorm hoch sind. Das Risiko für etwaige Steueränderungen in den USA tragen übrigens nicht wir, sondern der US-Trust. Der Vertrag läuft 30 Jahre.
Bei der Stadt Köln hat es Fälle von Korruption gegeben, bei der Frankfurter Messe auch. Sind Sie in Sachen Prävention gut aufgestellt?
Ich glaube, wir sind hervorragend aufgestellt. Man kann in einem solchen Fall, glaube ich, als Verantwortlicher in einem Unternehmen nie sagen: Das gibt es bei uns nicht. Aber ich glaube, dass wir durch unser internes Controlling, durch die Neudefinition unserer Einkaufsprozesse extrem gut aufgestellt sind. Ich würde die Behauptung wagen, dass größere Fälle von Korruption hier bei der Kölnmesse nicht vorhanden sind.
Gab es bislang keine Fälle?
Nein, zumindest sind mir keine bekannt. Man muss fairerweise auch fragen: Wo ist die Grenze der Korruption? Wenn ein Aussteller drei Flaschen Wein im Wert von 50 Euro schickt, soll ich die dann zurückgeben? Wenn ein Aussteller Waren von höherem Wert schickt, dann bekommt er von mir einen Brief, in dem ich mich bedanke und frage, ob es eine karitative Einrichtung gibt, an die ich den Kaufpreis spenden kann. Letztendlich will er mir was Gutes tun. Ich kann das nicht einfach ablehnen, das wäre Kundenvertreiben. Also sage ich – und das kommt bei den Kunden eigentlich sehr gut an – ich spende den Kaufpreis.
Gab es auch schon mal eine Kategorie, die Sie dann nicht mehr zahlen konnten?
Nein. Wir reden über 50 bis 80 Euro-Beträge. Für mich fängt Korruption da an, wo die Zuwendung die Entscheidungsprozesse beeinflusst. Wir alle leben natürlich von Beziehungsnetzen. Und deren Pflege kostet immer Geld. Einladungen zum Essen, zum Fußball, in die Oper kosten Geld. Das Beziehungsmanagement halte ich für elementar für eine Volkswirtschaft. Die Grundfrage, wo wir das Terrain des Beziehungsmanagements verlassen und den Bereich der Korruption betreten, ist philosophischer Natur.
Verschwimmen diese Grenzen in Köln eher als anderswo?
(lacht) Keine Ahnung.