: Der Schattenboxer der Eisbären
Der EHC Eisbären steht wieder im Halbfinale. Manager Lee wird trotzdem den Ruf nicht los, ungeeignet zu sein
Alljährlich werden in Berlin die die „Sportler des Jahres“ geehrt – nicht nur Aktive, sondern auch Funktionäre. Etwas überraschend landete der Cheftrainer der Eisbären, Pierre Pagé, bereits im Jahr 2002 auf dem zweiten Platz. Überraschend deshalb, weil der Eishockeyclub zum Zeitpunkt der Wahl nur eine halbe erfolgreiche Saison gespielt und nichts gewonnen hatte. Trotzdem freuten sich auch die Spieler für ihren Trainer, fragten jedoch kritisch: „Und was ist mit Peter Lee? Er hat schließlich die Mannschaft zusammengestellt.“
Peter John Lee ist der Manager des EHC Eisbären und so etwas wie der Schattenboxer des Clubs, der mit seinem vierten Sieg im vierten Play-off-Viertelfinalspiel gegen die DEG Metro Stars den Halbfinaleinzug perfekt machte und noch bis morgen auf den nächsten Gegner warten muss. Während Coach Pagé für die Visionen und die Einstellung der Mannschaft zuständig ist, holt Lee die Spieler zusammen, die Pagés Anforderungsprofil entsprechen. Die Ansprüche beider sind hoch. „Jung, hungrig und schnell“ sollte möglichst die gesamte Mannschaft sein. So formuliert es Pagé stets und stellt seinen Boss damit vor schwierige Aufgaben. Der löste diese bisher anscheinend, wenn man zwei Vorrundenmeisterschaften in Folge und den Play-off-Halbfinaleinzug als Belege dafür nimmt, zur Zufriedenheit aller.
Außer in den Augen der Spieler und vielleicht einiger Experten wird der Erfolg jedoch zu größten Teilen dem Trainer zugeschrieben. Lee hingegen wird in der Öffentlichkeit eher als Erfüllungsgehilfe wahrgenommen. Dies liegt zum einen an den guten Ideen und der großen Fachkompetenz des Franko-Kanadiers Pagé, zum anderen daran, wie er beides verkauft.
Der ebenfalls aus Kanada stammende Lee ist weniger visionär veranlagt und trägt zudem immer noch den Ruf eines Verlierers mit sich herum. Dabei war er in seiner Karriere bisher fast immer auf der Gewinnerseite. Als Spieler war der inzwischen 48-Jährige erfolgreich in der nordamerikanischen Profiliga NHL tätig und wurde Anfang 1990 in der Eishockey-Bundesliga mit der Düsseldorfer EG mehrfach Deutscher Meister. Nachdem er seine Spielerkarriere schon beendet hatte, gab Lee mit 39 Jahren sein Comeback auf dem Eis. Ab 1996 feierte er erst als Spieler und später als Trainer Erfolge wie die Vizemeisterschaft und den dritten Platz in der Europaliga mit den Eisbären.
Dann kam das „Pech-Jahr“ 2000. Erst wurde er als Trainer entlassen und zum Sportdirektor befördert, dann baute er ein Team zusammen, das den gewachsenen Ansprüchen des Clubumfelds nicht mehr genügte. Die Fans hatten ihn statt des damaligen Coaches als Sündenbock ausgemacht und pfiffen ihn bei jeder Gelegenheit aus. „Eisbären ohne Lee, sonst schaffen wir das nie“ war ein beliebter Gesang.
„Ja, ich habe damals ein paar Fehleinkäufe gemacht“, gesteht Lee ein. Die hat er jedoch inzwischen durch die Verpflichtung eines guten Dutzends Topstars längst wieder gutgemacht. Außerdem ist Lee sehr um den Nachwuchs beim Hohenschönhausener Verein bemüht. „Es macht viel mehr Spaß, Talente zu entwickeln als Spieler einzukaufen“, erklärt er seinen Einsatz in dieser Richtung und ergänzt, „es gibt viel Potenzial, das man einfach fördern muss.“
In der Rolle des Arbeiters hinter den Kulissen fühlt sich Peter John Lee ganz wohl und sieht gar nicht so große Unterschiede zwischen Pagé und sich selbst. „Nein, ich sehe mich nicht im Schatten von Pierre stehend“, sagt er. „Der Fokus ist schon meist auf uns beide gerichtet, nur dass Pierre nach einem Spiel bei der Pressekonferenz vorne sitzt und ich irgendwo an der Seite stehe.“
Falls die Eisbären die am Freitag beginnende Halbfinalserie überstehen und im Finale ebenfalls als Sieger das Eis verlassen, wäre es gut möglich, dass Lee und Pagé als Duo bei der nächsten Sportlerwahl ganz vorne landen. Vielleicht würde das Jahr 2000 sein Image dann nicht mehr so dominant bestimmen.
DANIEL GOLDSTEIN