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Archiv-Artikel

Das Königreich Belgien wird violett

Bei den Parlamentswahlen fahren Liberale und Sozialisten eine komfortable Mehrheit ein. Premier Guy Verhofstadt hat gute Chancen auf eine zweite Amtszeit. Auch der nationalistische Vlaams Blok legt zu. Grüne müssen schwere Verluste hinnehmen

aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER

In den Analysen zum Wahlausgang in Belgien tauchte am Sonntagabend in flämischen und wallonischen Fernsehprogrammen ein Stichwort gleichermaßen auf: Francorchamps. „Die Grünen sind in Francorchamps gestorben“, behauptete auch die Leitartiklerin der größten französischsprachigen Zeitung des Landes, Le Soir.

Im Dezember hatte die blau-rot-grüne Regenbogen-Regierung unter dem liberalen flämischen Premier Guy Verhofstadt auf Drängen der Grünen ein landesweites Zigarettenwerbeverbot durchgesetzt. Daraufhin hatten die Organisatoren der Formel-1-Wettbewerbe die traditionsreiche Strecke Spa-Francorchamps aus ihrem Veranstaltungskalender für 2003 gestrichen.

Die „dogmatische Entscheidung“ gegen Bandenwerbung, dazu das von der grünen Verkehrsministerin geforderte Nachtflugverbot über Brüssel macht Le Soir dafür verantwortlich, dass fast die Hälfte der grünen Wähler von 1999 nun zu anderen Parteien abgewandert ist – profitiert haben vor allem die Sozialisten, aber auch Liberale und nationalistischer Vlaams Blok legten zu. „Die Grünen sind daran zugrunde gegangen, dass sie die Mentalität der Belgier nicht verstanden haben, die sicher an den ökologischen Grundwerten hängen, aber nicht um den Preis, ihren Lebensstil ändern zu müssen“, urteilte Le Soir.

Die Grafiken zeigen für das holländisch geprägte Flandern, für die französischsprachige Wallonie und für die gemischte Region Brüssel jeweils dieselbe Tendenz: Nach einem Zwischenhoch bei den Wahlen 1999 sind die Grünen in der Wallonie (Ecolo) knapp unter die Marke von 1995 zurückgefallen und kamen auf 9,2 Prozent aller dort abgegebenen Stimmen. In Flandern ist Agalev noch weiter eingebrochen, auf 4 Prozent der Stimmen. Damit hat die flämische Variante der grünen Partei die neue Fünfprozenthürde verpasst und wird im neuen Bundesparlament nicht mehr vertreten sein. Statt der 20 Sitze, die Ecolo und Agalev dort innehatten, kann Ecolo allein nur noch mit vier Sitzen rechnen – die grünen Stimmen in Flandern sind verloren.

Dagegen hat die nationalistische Front National, das wallonische Gegenstück zum Vlaams Blok, mit 5,4 Prozent die Fünfprozenthürde übersprungen – sie behält ihren Sitz im Parlament und zieht auch mit einer Abgeordneten in den Senat ein.

Fast alle Parteien in Flandern und der Wallonie zeigen in der grafischen Darstellung das gleiche Muster: Nach einem deutlichen Knick 1999 nach oben oder unten fällt die Kurve auf das Niveau von 1995 zurück. Lediglich der nationalistische Vlaams Blok in Flandern fällt aus diesem Schema heraus: Seine Kurve steigt steil und ohne Knick von 12,2 Prozent 1995 auf 15,3 Prozent 1999 und 18,1 Prozent bei der Wahl am Sonntag. Er erhält 18 Sitze im föderalen Parlament.

Stärkste Kraft werden die Liberalen mit 49 Sitzen sein, dicht gefolgt von den Sozialisten mit 48 Abgeordneten. Da traditionell die größte regionale Partei vom König mit der Regierungsbildung betraut wird, dürfte Guy Verhofstadt Premier bleiben. Zweitstärkste Gruppe im Parlament sind die wallonischen Sozialisten. Im neuen Parlament verfügen Sozialisten und Liberale beider Regionen über eine Mehrheit von 97 der 150 Parlamentssitze. Deshalb wird damit gerechnet, dass sie eine „violette“ Koalition aus den Farben Rot und Blau bilden. Der Regenbogen hat vorerst ausgedient.