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Archiv-Artikel

strafplanet erde: deutschland von a bis p von DIETRICH ZUR NEDDEN

„Flachland & Nachschlagewerke“ lautete das Credo eines bedeutenden deutschen Schriftstellers, dessen Name unerwähnt bleiben soll, weil andernfalls die Suchmaschinen-Polizei diesen Text sofort markiert. Und wer weiß, ob er den kritischen Blicken der Fachleute standhielte. Wohnhaft an der Kante, wo Deutschland flach wird, beschränke ich mich zur Zeit auf ein einziges schmales Nachschlagewerk. „Des Teufels Wörterbuch“, das Ambrose Bierce verfasst und Gisbert Haefs 1986 in einer umfangreichen Auswahl neu übersetzt herausgegeben hat. War’s Indolenz, war’s Wissensdurst oder Notwehr, dass ich das Bändchen wieder hervorkramte? Oder noch was anderes?

Erwünscht war ein passendes Stichwort, eine Erklärung. Denn man gilt in diesen Tagen vermutlich als engstirnig, unbelehrbar und kauzig, als neurotisch fixiert sowieso, wenn man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, pausenlos sei aufgeregt und verkleisternd von Deutschland die Rede, dem Deutschen, den Deutschen. „Deutschland bewegt sich“ heißt eine „Aktion“ von ZDF, Bild am Sonntag und Barmer Ersatzkasse. Unermüdlich sucht Deutschland Superkasper und Kandidaten dafür, Konsens, Strukturreformen, Eigenverantwortungseinsatzgebiete: „Wir Deutschen befinden uns in einer Sackgasse“, lautet die alarmierende Botschaft des „BürgerKonvents“ am Anfang seines „Manifests“. Von dem niemand weiß, wer es eigentlich bezahlt. Überall, das liegt auf der Hand, sind „Verkrustungen“ und „Erstarrungen“ anzuprangern und „unsere derzeitigen Ansprüche“, die „unsere Leistungen“ übersteigen. Wer jetzt nicht „wir“ sagt, so lässt sich die bürgerkonvente Botschaft verstehen, wird mindestens sofort als „Besitzstandswahrer“ entlarvt, der den „Wahrheitsstau“ partout nicht auflösen will. Denn viele sind „recht anspruchsvoll. Arbeitsplätze sollen gut bezahlt, interessant, angenehm, nicht sehr anstrengend und gesellschaftlich angesehen sein.“ (Das ist in der Tat viel verlangt, zu viel, denn Arbeit, so steht es bei Bierce, ist ja nichts anderes als eines „der Verfahren, durch die A Eigentum für B erwirbt“.)

Alles in allem: Es dürfte sich um eine Neuauflage des herzoglichen „Rucks“ handeln, vornehm-akademisch diesmal. Die Namen der Personen hier tragen alle einen Titel vorneweg. Sie wären aufgeschmissen, wenn keine Staus mehr zu vermelden wären.

Derweil war ich im Wörterbuch bei P wie „Patriotismus“ angelangt. „Entflammbarer Müll, bereit für die Fackel eines jeden, der ehrgeizig ist und seinen Namen beleuchtet sehen möchte“ war da zu lesen. Bierce ergänzt, Patriotismus sei nicht, wie Samuel Johnson gesagt hat, die „letzte Zuflucht eines Schurken“, sondern „die erste“.

Da man angeblich Zufall nicht mit Willkür verwechseln soll, muss ich ganz stringent zum Ausklang davon berichten, im selben Zeitfenster, also parallel zum Griff nach jenem Wörterbuch zum ersten Mal einen Song von, wie sich herausstellte, Grateful Dead gehört zu haben. „A friend of the devil is a friend of mine“. Man ist also nicht allein und bleibt dennoch in schlechter Gesellschaft.