: Friss oder stirb: Die Bühnen haben keine Wahl
Die Stadt Köln hält die eigenen Bühnen offenbar zu einem Gutteil für entbehrlich. Morgen soll im Rat das zwischen den Intendanten ausgehandelte Sparkonzept verabschiedet werden. Die Halle Kalk und das West-End-Theater werden spätestens Ende 2004 für den regulären Spielbetrieb geschlossen
VON ALEXANDER HAAS
Zwei der bisherigen ständigen Spielstätten der Kölner Bühnen, die Halle Kalk und das West-End-Theater, werden spätestens Ende 2004 für den regulären Spielbetrieb geschlossen. Tatsächlich hält man in Köln sein eigenes Stadttheater angesichts des Sparzwangs der Kommune zu einem Gutteil für entbehrlich. Das vom Geschäftsführenden Intendanten Peter F. Raddatz in Kooperation mit den Intendanten von Oper und Schauspiel, Christoph Dammann und Marc Günther, erstellte Sparkonzept enthält zahlreiche weitere Kürzungsmaßnahmen. Per Ratsbeschluss hatte die schwarz-grüne Koalition im Dezember 2003 Einsparungen in Höhe von 3,5 Millionen Euro pro Jahr zwischen 2005 und 2007 gefordert. Morgen soll das Konzept im Rat verabschiedet werden.
Raddatz hatte auf der Sitzung des Kulturausschusses in der vorigen Woche (taz berichtete) betont, dass die Maßnahmen „keine Strukturen nachhaltig zerstören“ würden. Doch wie anders soll man es bewerten, dass die Halle Kalk geopfert und in Zukunft höchstens noch sporadisch genutzt wird? Sie war der programmatische Standort der Bühnen für progressive, dem Experiment zugeneigte Inszenierungen in Theater und Tanz. Sie bewies zudem ein gewisses Engagement im Bereich kulturelle Stadtentwicklung auf der strukturschwachen rechten Rheinseite. Doch die Stadt hat den Bühnen keine Wahl gelassen. Daran dürfte auch der Vorschlag des kulturpolitischen Sprechers der CDU, Richard Blömer, wenig ändern: Er hatte dem Schauspiel empfohlen, in Kalk verstärkt mit freien Theatergruppen zusammenzuarbeiten. Das West-End könnte, wenn alles klappt, zu einer „Begegnungsstätte mit Kneipe und gelegentlichen Liederabenden“ umfunktioniert werden. Neben den beiden großen Bühnen wird es ab 2005 nur noch die Schlosserei und die Kinderoper geben.
Mit dem Ratsbeschluss vom Dezember beging die Stadt einen Vertragsbruch. Raddatz hatte in seinem Fünfjahresvertrag vom August 2002 ein Gesamtbudget über mindestens 47,5 Milllionen Euro bis 2007 zugesichert bekommen. Er und Schauspielintendant Marc Günther drohten daraufhin mehrfach mit Kündigung – nun kommen sie den Kürzungen doch nach. Die Stadt schließt mit beiden einen Vergleich, die entsprechende Vorlage steht ebenfalls zur Verabschiedung im Rat an.
Das Papier garantiert den Intendanten Kündigungsrecht und eine auszuhandelnde Abfindung, sollten die Zuschüsse in 2004 und 2005 weiter sinken. Marc Günther bewertet das als „Geste, aber nicht als Durchbruch“. Nur ein solcher würde dem Theater die bitter nötige langfristige Planungssicherheit garantieren.
Real müssen die Bühnen in den Jahren 2005 bis 2007 insgesamt 11,5 Millionen einsparen, da neben den städtischen Kürzungen auch Tariferhöhungen und verringerte Landeszuschüsse aufzufangen sind. Die Oper wird 7,4 Millionen, das Schauspiel 4,1 Millionen sparen. Als Gegengewicht werden in der Oper die Eintrittspreise linear um 10 Prozent erhöht. Bei gleichzeitiger Verringerung der Produktionszahl will das Haus so einen Anstieg der Einnahmen um 2,5 Millionen Euro schaffen.
Im Schauspiel wird es laut Marc Günther voraussichtlich acht Produktionen weniger geben als geplant, darunter eine, die schon mit dem Choreograf Johann Kresnik für die Halle Kalk verabredet war. Trotz bereits existierender Verträge mit Regisseuren sieht Günther momentan keine Klagen auf sich zukommen. Im Ensemble werden zwei Weggänge, darunter Alexander Khuon, nicht nachbesetzt. Ebenso unbesetzt bleibt eine frei werdende Stelle in der Dramaturgie. In der Operndramaturgie wird um 50 Prozent gespart. In anderen Personalbereichen werden befristete Verträge nicht verlängert und ebenfalls frei werdende Stellen nicht nachbesetzt.
Peter F. Raddatz räumt in seinem Papier angesichts der Einschnitte auch in punkto künstlerischer Qualität weitere Rückschritte ein. CDU und Grüne argumentieren, dass die Einsparungen angesichts der städtischen Finanzkrise unvermeidlich seien. Fest steht, dass sich Köln nicht nur im Blick auf die Bewerbung als Kulturhauptstadt 2010 eine weitere Schwächung seiner kulturellen Möglichkeiten einhandelt. Und das, obwohl der Anteil der Kultur am städtischen Gesamthaushalt schon jetzt nur 4,3 Prozent ausmacht.