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Archiv-Artikel

Alle Macht für Niemand

Wer entscheidet über die Krankenhausprivatisierung: Initiatoren des Volksentscheids gegen den Verkauf streiten mit Senat um die Rechtsverbindlichkeit von Volkes Stimme

Ist der Volksentscheid, in dem 76,8 Prozent aller an der Abstimmung teilnehmenden HamburgerInnen gegen den Verkauf der Mehrheitsanteile des Landesbetriebs Krankenhäuser votierten, für den Senat und die Bürgerschaft rechtlich bindend? Während der Senat – gestützt durch ein Urteil des Hamburger Verfassungsgerichtes – keine Bindungswirkung sieht, beharren die Initiatoren darauf, dass Volkes Wille auch umgesetzt werden müsse. Gestern unterfütterte der Hamburger ver.di-Chef Wolfgang Rose zusammen mit dem Verwaltungsrechtler Hans Peter Bull und dem grünen Verfassungsexperten Martin Schmidt die Auffassung, dass die Umsetzung des Volksentscheides rechtlich zwingend sei.

Da der Volksentscheid juristisch eine Entscheidung der Bürgerschaft ersetze, könne diese nicht einfach etwas anderes beschließen, lautet das Hauptargument der Verkaufsgegner, das bisher auch beim Hamburger Verfassungsgericht nicht auf Widerspruch gestoßen ist. Das Gericht argumentierte im Dezember 2003 auf dieser Grundlage allerdings: Da selbst ein Bürgerschaftsvotum für den Senat als obersten Entscheidungsträger nicht bindend sei, käme analog dazu auch ein Volksentscheid nur einer unverbindlichen Aufforderung an den Senat gleich.

Diese juristische Interpretation aber halten Bull und Schmidt für „fragwürdig“. In der Hamburger Verfassung sei eindeutig geregelt, dass bei einem Volksentscheid, „dem Volk etwas zur Entscheidung vorgelegt wird und es darin nicht nur angehalten wird, eine unverbindliche Petition an den Senat zu richten“. Auch sei – anders, als die Verfassungsrichter es einschätzten – ein Bürgerschaftsvotum mehr als eine Empfehlung für den Senat. Schmidt: „Der Senat ist das Exekutivorgan der parlamentarischen Mehrheit.“

Allerdings bleibt den Privatisierungsgegnern vorerst nichts anderes übrig, als an die Hamburger Regierung zu appellieren, sich doch ihrer Rechtsauffassung anzuschließen. Für Senatssprecher Christian Schnee ist die Landesregierung „juristisch eindeutig“ nicht an Volksentscheide gebunden. Auch Martin Schmidt hält es „für äußerst schwierig, einen Volksentscheid über das Verfassungsgericht durchzusetzen“. Sollten Senat und Bürgerschaft die Privatisierung des LBK aber weiterhin vom Volksvotum unberührt durchsetzen, werde „man weitere rechtliche Schritte genau prüfen“, kündigte Rose an.

Der Gewerkschaftschef legte jetzt in einem Brief an Ole von Beust und Finanzsenator Wolfgang Peiner die Rechtsposition der Gewerkschaft noch einmal ausführlich nieder. „Der Volksentscheid ist keine Empfehlung und kein Prüfauftrag, sondern eine rechtlich und politisch verbindliche Rahmenbedingung für Parlaments- und Regierungshandeln“, lautet die Kernthese des Schreibens. Marco Carini