: Bremen muss Verträge einhalten
Als die Stadt vom Bauern Wähmann Wiesen für die Sonderstartbahn kaufte, sicherte sie ihm zu, dass diese ausschließlich für den Werksverkehr genutzt werde. Das Oberverwaltungsgericht musste die Stadt jetzt zwingen, diese Zusage auch einzuhalten
Bremen taz ■ Seit Jahren streitet der Bauer Heinz Wähmann vor bremischen Gerichten um seine im Grundbuch eingetragenen Rechte. Gestern nun musste die Stadt vor dem Oberverwaltungsgericht klein beigeben und akzeptieren, dass sie von ihr selbst getroffene Vereinbarungen einhalten muss. Es ging in dem Streit um die 300 Meter lange Sonderstartbahn auf dem Flughafen. Wähmann hatte 1991 eine Wiese an den Flughafen verkauft, die für die Sonderstartbahn gebraucht wurde, sich aber in dem Verfahren auch im Grundbuch die Zusicherung der Stadt absichern lassen, dass diese Sonderstartbahn wirklich nur für die Werksflüge von Airbus zum Transport der Flugzeugflügel genutzt wird.
Ohne das öffentlich mitzuteilen, unterschrieb am 22.6.1999 der damalige Häfensenator und heutige Bundestagsabgeordnete Uwe Beckmeyer einen Brief an DaimlerChrysler, in dem er die Nutzung der Sonderstartbahn für sechs Starts “zum Zwecke der Flugerprobung“ erlaubte. Offenbar setzte der Senat darauf, dass der Bauer den Vertragsbruch nicht bemerken würde. Als die Sache dann doch beim fünften Start aufflog, behauptete das Häfenressort, es handele sich nicht um einen Vertragsbruch.
Bauer Wähmann musste vor Gericht ziehen. Er beschwerte sich gleich auch über einen Werbe-Flug eines Jumbo B 747, der zur Gaudi der Schaulustigen über die Sonderstartbahn gerollt war - als gäbe es die vertragliche Vereinbarung mit dem Senat nicht. Gestern äußerte der Vertreter des Hafensenators sogar seine Zweifel daran, dass man die Sonder-Starts überhaupt als Flugbewegungen betrachten könne. Aber der Vorsitzende Richter am Oberverwaltungsgericht, Mathias Stauch, beharrte auf seiner Sicht der Rechtslage: Wenn der neue Eigentümer beim Verkauf eines Grundstückes Nutzungseinschränkungen akzeptiere, dann dürfe er hinterher nicht frei darüber verfügen. Auch bei Verträgen mit der Stadt Bremen müsse das Prinzip von „Treu und Glauben“ gelten.
Zunächst lenkte Flughafen-Chef Manfred Ernst vor dem Gericht ein und erklärte, die Kurve des Jumbo über die Sonderstartbahn hätte „bei ordnungsgemäßer Vorbereitung so nie geschehen dürfen“, er werde ausschließen, dass so etwas noch einmal passiert und überhaupt komme so ein Werbeflug nur „alle 50 Jahre vor“.
Die Vertreter des Senats zierten sich noch eine Weile, dann aber gab es auch von dort die Zusicherung, auf der der Anwalt des Bauern bestanden hatte: Wenn die Sonderstartbahn für andere als die vereinbarten Zwecke genutzt werden solle, müsse der Bauer vorher informiert und um seine Zustimmung gefragt werden.
Möglicherweise hat es auch einen ganz anderen Hintergrund, dass die Vertreter des Senats sich gestern kompromissbereiter zeigten als in den letzten drei Jahren und versprachen, die von ihnen selbst getroffenen vertraglichen Vereinbarungen über die Sonderstartbahn zu akzeptieren. Denn wenn demnächst die A 281 am Flughafen entlang gebaut wird, dann könnte die Trasse quer über das Grundstück des Bauern verlaufen, der sich zwischen Neuenlander Straße und Flughafenzaun wie in einer Burg hinter einem hohen Bretterzaun verschanzt hat. Da die Grundbucheintragung ausdrücklich als „das Recht des Eigentümers des Grundstückes Neuenlander Straße 121“ formuliert ist, wäre sie aus der Welt, wenn man die Eigentümer mit der Begründung enteignen könnte, dass ausgerechnet hier über das Grundstück des Bauern Wähmann aus übergeordneten Gründen die Straße gebaut werden müsse. Auf diese Weise könnte die Stadtgemeinde die lästigen Sonderrechte, die den Flughafenbetrieb einschränken, elegant loswerden, nachdem sie sie einfach ignoriert hat, vor Gericht aber mit diesem Versuch gescheitert ist.Klaus Wolschner