: In der Grabbelkiste
Die „Süddeutsche Zeitung“ schafft sich ein Spielbein und verkauft jetzt auch Bücher – das Konzept stammt aus Italien und ist dort erstaunlich erfolgreich
VON KRISTINA GRAAFF
Eine Internet-Geizseite feiert die 50 Bände Weltliteratur sogar als Spartipp des Tages. Das war wohl nicht die erste Intention der Süddeutschen Zeitung, die sich von ihrer Kampagne vor allem neue Leser verspricht.
„Lese. Freude. Sammeln.“ Unter dem popliterarisch anmutenden Motto ist die Zeitung seit Montag ins Buchgeschäft eingestiegen. Bundesweit erstehen kann man die „SZ-Bibliothek der Weltliteratur“, die von Paul Auster über Umberto Eco bis zu Martin Walser reicht, im Buchhandel, am Kiosk oder direkt über den Süddeutschen Verlag. Den Anfang macht Milan Kundera. Seine „Unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ wird als Einstiegsangebot kostenlos abgegeben. Aber auch der reguläre Preis von 4,90 Euro ist schnäppchenhaft.
Wieso haben sich Verlage wie Suhrkamp, Diogenes oder Hanser bereit erklärt, Lizenzen für die Kampagne der Süddeutschen Zeitung zu vergeben? Für den Programmgeschäftsführer von Hoffmann und Campe, Rainer Moritz, war wichtig, dass die Autoren zwar prominent, ihre Werke aber „nicht mehr ganz frischen Datums“ sind: „Siegfried Lenz’ ‚Deutschstunde‘ ist von 1968 und wird im Hardcover nur noch unerheblich verkauft. Wäre es aber ein neues Buch von Lenz gewesen, hätten wir es nicht für die Aktion hergegeben.“
Erheblich ist jedenfalls der Aufwand, mit dem die Titel von und in der Süddeutschen Zeitung beworben werden. Ganzseitige Anzeigen und die wöchentliche Besprechung des jeweils erscheinenden Buchs im Feuilleton – durch einen wohl kaum kritischen „Paten“.
Dagegen hat auch Stefan Fritsch aus der Geschäftsleitung vom Diogenes Verlag nichts einzuwenden: „Die Titel stehen eine Woche lang im Rampenlicht, werden hoch professionell und mit einem beachtlichen Budget beworben. Diese Aufmerksamkeit könnten wir für diese Titel niemals erreichen.“
Die Idee, über den Buchverkauf die Zeitungsauflage anzukurbeln, ist nicht neu. Vor gut einem Jahr konnte man – rein zufällig in der Süddeutschen Zeitung – einen Artikel über den enormen Erfolg lesen, den die italienische Tageszeitung Repubblica mit ihrer neuen Mischfinanzierung feierte: In ebenfalls 50 Wochen hatte sie rund 25 Millionen Bücher verkauft – „mehr, als der gesamte Buchhandel des Landes pro Jahr an belletristischen Titeln auflegt“, grübelte schon damals die Süddeutsche.
Gewinnspannen, die gerade in der gebeutelten Medienbranche die Augen leuchten lassen. „Natürlich werden die Zahlen in Deutschland nicht mit denen in Italien zu vergleichen sein“, heißt es auch beim Süddeutschen Verlag. „In Italien leben die Zeitungen vom Straßenverkauf, hier werden sie in erster Linie über Abonnements vertrieben.“
Trotzdem ist man optimistisch, denn auch die Marke Süddeutsche Zeitung soll von der Kampagne profitieren.
Sollte sich der Buchverkauf also wirklich als zusätzlicher Vertriebskanal etablieren, hält der frisch gegründete SZ-Geschäftsbereich „New Products and Services“ bestimmt schon weitere Zusatzprodukte bereit.
Auf Präsente wie Parfümflaschen oder Spagettipakete, die italienische Gebrauchtwaren-Kioske ihren Kunden zur Zeitung reichen, werden wir im Land der Abonnenten wohl lange warten müssen.