: Rassenpolitik und Kolonialismus
betr.: „Rückgabe der Schädel“, taz vom 10. 12. 08
Michael Berger nennt den Völkermord an den Herero und Nama den „ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts“. Das ist allein mit dem Verweis auf den Kolonialkrieg der USA auf den Philippinen (1899–1902/1913) nicht haltbar. Vermutlich sieht der Autor den ersten deutschen Völkermord und den Kolonialkrieg in Deutsch-Südwestafrika (DSWA) als Brücke zwischen der militaristischen, rassistischen Einstellung vieler Deutscher im späten 19. Jahrhundert und dem Nationalsozialismus. So spricht er auch von der „Ideologie der Überlegenheit der deutschen Rasse“, welche für die Verbrechen der deutschen Schutztruppler verantwortlich gewesen sei. Hier gilt es aber zu unterscheiden zwischen dem Gefühl der Überlegenheit der weißen Rasse, welches damals praktisch universell war, und General von Trotha als Grundlage für seine menschenverachtende „Politik“ diente, und dem Anspruch der Deutschen, in Europa und der Welt eine Vormachtstellung einzunehmen. Die angebliche Überlegenheit der Deutschen wurde also im Propagandakrieg mit den anderen europäischen Mächten verwendet, während in den Agitationen von Trothas und anderer von einem „Rassenkrieg“ (Trotha) zwischen Weißen und Schwarzen gesprochen wurde.
Es ist auch strittig, ob man die deutsche „Rassenpolitik“ in DSWA als Grund für den Aufstand der Herero nennen kann, da eine solche strukturell erst nach Ende des Krieges zum Tragen kam. Dass sich die Schutztruppen häufig als wahre Rassisten verhielten und dies (Tötungen, Vergewaltigungen, Missachtung) ein Grund für den Aufstand war, ist unstrittig.
Auch schreibt der Autor, die Nama hätten sich dem Aufstand der Herero im Oktober 1904 angeschlossen. Dies ist falsch. Zwar spielte die grausame Behandlung der Herero durch die Deutschen eine entscheidende Rolle bei der Entscheidung der Nama, sich ebenfalls zu erheben, der Aufstand der Witboii und anderer Nama (die teils an der Niederschlagung des Herero-Aufstandes beteiligt gewesen waren) bleibt allerdings ein eigener Krieg. Es gab nur wenige Gruppen (wie die von Jakob Morenga), in denen Herero und Nama gemeinsam gegen die Deutschen kämpften.
Berger behauptet, dass „tausende Herero“ in der Schlacht am Waterberg erschossen wurden oder in der Wüste umkamen. Dies ist interessanterweise für gewöhnlich eine Argumentation der Rechten, um die Zahl derer, die durch die Abriegelung der Omaheke-Wüste umkamen, niedrig zu halten. Tatsächlich hatten die Herero nicht sehr viele Opfer durch die Schlacht selber zu beklagen (die eigentlich eher aus einem Überfall und zwei Scharmützeln bestand).
Die Konzentrationslager konnten übrigens im Dezember 1904 noch nicht die Mehrzahl der überlebenden Nama aufnehmen, wenn diese noch bis 1908 (eher 1907) Krieg führten. Bei der Benennung der Lager wurde wie so oft das Vorbild Großbritannien bemüht, das seine Internierungslager im Burenkrieg (mit einer wohl ähnlich hohen Sterblichkeitsrate) Concentration Camps genannt hatte.
Bleibt zu sagen, dass der Autor natürlich absolut Recht hat, wenn er die Benennung von Bundeswehrkaserne nach Lettow-Vorbeck und das Verhalten des Freiburger Archivs und der Charité als Skandal sieht. Das Argument, die Studien (an den Schädeln) seien noch nicht abgeschlossen, macht einen wirklich fassungslos.
Schade ist, dass Berger die Interpretation(en) nahe legt, ein vornazistisches Regime hätte gegen geschlossen auftretende Afrikaner verschiedener Volksgruppen den Holocaust quasi schon mal im Kleinen durchgespielt. Wenn man Krieg und Völkermord in DSWA mit etwas vergleichen will, bieten sich hierfür die Kriegführung der Wehrmacht im Osten, noch viel mehr allerdings die (Kolonial-)Kriege der USA gegen die Filipinos und der Briten gegen die Buren (und die Internierung vieler Schwarzafrikaner) an. Der Autor wollte wohl einfach die Leser da abholen, wo er sie vermutet, und hat sich bei der fälligen Reduktion etwas vertan. DANIEL PREISSLER, Freiburg
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