: Scheiß-Oberhausen
Weder Opas Kino noch das der Oberlehrer: Was sich Klaus Lemke unter flotten Filmen vorstellt, lässt sich im Central bewundern
Man darf annehmen, dass auch Klaus Lemkes Entwicklung als Filmemacher durch die nahezu unglaubliche Tatsache, dass schöne Frauen, wenn man sie in schönen Einstellungen über die Leinwand schickt, einen auf diese oder jene Weise belohnen, nachhaltig befördert wurde. Woran nichts falsch ist, ganz im Gegenteil. So entstehen Filme, die, obwohl hauptsächlich für das Fernsehen gedreht, das Fernsehformat stets sprengen. Bis zuletzt mit „Last Minute Jamaika“ (2002), einem hinreißenden Roadmovie, dessen lässige Erzählweise grandios zwischen Doku und Fiktion balanciert, wobei einzelne Einstellungen nur großem Kino zuzurechnen sind. Angefangen hat es in den 60er-Jahren, als Klaus Lemke, Rudolf Thome und Max Zihlmann unerhörterweise von „Scheiß-Oberhausen“ sprachen und den neuen deutschen Film, der die elenden 50er-Jahre endlich aus dem Kino vertreiben wollte, seinerseits als verkniffen und ideologisch entlarvten. Sie glaubten an Godard, Hawks und Hitchcock, und ihre Appropriation Art belegte: Radikales Nachmachen wird mit was ganz Eigenem belohnt. Und das muss man sich einfach anschauen. Zum Beispiel „Brandstifter“ den legendären Fernsehfilm von 1968, in dem Lemke Iris Berben zur Schauspielerin erklärte und die Geschichte seines Bekannten Andreas Baader aufrollte, der im gleichen Jahr in Frankfurt eben als Brandstifter notorisch geworden war. Oder „48 Stunden bis Acapulco“ (1967), den definitiv schönsten Wanna-be-Film in Hinblick auf richtig cooles Melville-Kino. Oder „Rocker“ (1971), die Entdeckung der Hamburger Hells Angels und ihres Slangs für einen ganz neuen Sexappeal der Sprache im deutschen Film. Die schwere 35-mm-Kamera wurde tatsächlich so eingesetzt, als handle es sich um Video. Aber, wie Lemke sagt, es ging nicht darum, draufzuhalten: „Ziel ist, die Leute zu reizen, dass sie das wollen, was ich will.“ WBG