der frost ist ein meister aus deutschland von HARTMUT EL KURDI
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Auch wenn heute vielleicht ausnahmsweise die Sonne scheint: Deutschland ist ein kaltes Land und ich bin ein jämmerliches Frostbeulchen. Daher muss ich mich oft aufheizen und versuchen, die Wärme so lange wie möglich in mir zu halten. Ich besitze zu diesem Zwecke isländische Thermo-Unterwäsche, drei- bis vierfach um den Hals zu wickelnde Schals, mehrere filzig luftdichte Walkwolle-Pullover, fellgefütterte Stiefelchen und eine gigantische russische Schapka, die ich mich aber nicht traue aufzusetzen, weil ich dann aussehe, als wohnte ein langhaariger Biber auf meinem Kopf.

Gerne würde ich mir auch den Taschenofen aus dem Anzeigenteil der ADAC-Motorwelt bestellen, aber ich befürchte, dass mich dann Personen aus meinem näheren Umfeld ins betreute Wohnen einweisen lassen. Obwohl doch das Wort „Taschenofen“ eindeutig nach einer epochalen Erfindung, einem Lifestyle- und Survival-Kracher klingt: Wer braucht schon ein Handy? Einen Walkman? Einen Hund an der Leine? Musik hören, kommunizieren und Tiere lieb haben muss ich unterwegs nicht wirklich – gewärmt werden will ich jedoch auf Schritt und Tritt.

Es ist übrigens nicht die mitteleuropäische Witterung allein, die versucht, mich schockzufrosten. Nein, der Kältefeind hat nur allzu oft ein menschliches Gesicht. Und er sagt Dinge wie: „Kann ich mal das Fenster aufmachen, is’ so stickig hier drin!“, oder: „Wieso heizen? Is’ doch schon April!“, oder: „Bei dem schönen Wetter setzen wir uns aber raus, ja?!“ Meist antworte ich dann: „Nein, fuck you, das Fenster bleibt zu, die Heizung drehen wir mal schön auf Anschlag, und solange meine harten Nachbarn mit den Batik-Leggins die Grillsaison noch nicht eröffnet haben, setze ich mich auf keinen Fall in ein Straßencafé!“

Aber die Frischluft-Dämonen lachen mich aus und keckern mir ins Ohr, ich sei empfindlich, ich stelle mich an. Oft fallen sogar unschöne Begriffe wie „verweichlicht“ und „verzärtelt“. Immer wieder schlägt man mir vor … ach was: man befiehlt mir, ich müsse mich „abhärten“ – als sei das Leben nicht hart genug, wie wir doch spätestens seit Extrabreits Polizistensong wissen.

Ich versuche den Menschen zu erklären, dass es Unsinn ist, dass es mich nicht „abhärtet“, in kalter Zugluft zu sitzen, im Nieselregen spazieren zu gehen oder an einem feuchten Pfingstwochenende auf Rügen zu biwakieren. „Kapiert doch endlich, ihr Deppen“, argumentiere ich sachlich, „ich werde davon nicht härter, sondern einfach nur krank!“

Aber Argumenten ist der Naturburschenschaftler nicht zugänglich. Kälte schadet offensichtlich dem Bregen – nicht umsonst entstanden die ersten Hochkulturen in den warmen Regionen dieser Welt. Der Norden holte später zivilisatorisch nur auf, weil er erst das Lagerfeuer importierte und auf dieser Grundlage dann die Gasetagenheizung, den Badezimmer-Heizstrahler und die Käpt’n-Blaubär-Wärmflasche erfinden konnte. Deswegen liebe Leser, im Sinne des Fortschritts und gegen die Barbarei – jetzt einmal alle zusammen:

TÜR ZU, ES ZIEHT!