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Archiv-Artikel

Die Auswechslung

Neues von der ProSiebenSat.1-Spitze: Urs Rohner geht, Guillaume de Posch, ein Vertrauter Sabans, kommt. Mit ihm soll es bergauf gehen

URS ROHNER

Urs Rohner geht wieder in die Schweiz. Dass dem 44-jährigen Wirtschaftsanwalt aus Zürich, der seit 2000 den Vorstand der früher zum Kirch-Imperium gehörenden ProSiebenSat.1 AG führte, allzu viele Menschen am Konzernsitz in München nachweinen, kann ausgeschlossen werden: Ein zugänglicher Chef sei Rohner nie gewesen. Vor allem bei Sat.1 in Berlin war sein Name schon eher ein Schimpfwort: Rohner hatte die Verschmelzung des unabhängigen Senders mit dem bunten Ball auf die ProSieben AG durchgeprügelt, Sat.1 durfte fortan mit ausbaden, was bei ProSieben in Unterföhring angerichtet wurde.

Zudem leistete sich Rohner eine bis ins Persönliche gehende Fehde mit dem ehemaligen Sat.1-Chef Martin Hoffmann. Den hatte er schon im Sommer 2003 für eine Nacht an die Luft gesetzt, doch der Aufsichtsrat pfiff Rohner zurück. Dass der Rauswurf von Hoffmann dann im Dezember mit Billigung Sabans doch noch gelang, wurde für Rohner zum Pyrrhus-Sieg: Harald Schmidt schmiss ebenfalls hin, inszenierte seinen Abgang über Wochen alles andere als Sympathie schaffend für Rohner oder den neuen Sat.1-Chef Roger Schawinski und ging mit seinem Freund Martin auf Kreuzfahrt.

Rohner verhielt sich oft zu unsouverän: Unter seiner Aufsicht gelang es nicht, die Fortune der Konzern-Cashcow wieder auf Vordermann zu bringen. ProSieben ist derzeit das eigentliche Sorgenkind der Senderfamilie. Auf dem Höhepunkt der Kirch-Krise begrüßte Rohner stets die jeweils aktuelle Lage als „hervorragende“ Lösung – mal war’s Saban, mal eine rein deutsche Bankenlösung – und wurde schon seit der AG-Hauptversammlung im Sommer 2003 als „Dead Man Walking“ verspottet.

Dass sein Abgang jetzt verhältnismäßig strukturiert erfolgte – Nachfolger de Posch ist ja längst an Bord –, zeugt davon, dass die „Ära Rohner“ schon länger vorüber war, wenn es sie denn je wirklich gab. Zum Trost bleibt Rohner, der wohl zur Großbank Credit Suisse wechselt, ein versöhnlicher Satz seines Nachfolgers, der wohl so etwas wie Kontinuität verströmen sollte: „Wir haben gemeinsam, dass wir aus zwei kleinen Ländern kommen, die sehr gute Schokolade machen“, so de Posch. In Sachen TV-Programm sieht das dummerweise anders aus. STEFFEN GRIMBERG

GUILLAUME DE POSCH

Zwei Plätze nach rechts. Das ist der Weg, den der Belgier Guillaume de Posch, streng betrachtet, in den vergangenen Tagen zurückgelegt hat. Bei der Bilanzpressekonferenz von ProSiebenSat.1 im Februar saß er noch zwei Stühle links von Urs Rohner, der als Vorstandschef standesgemäß in der Mitte des Podiums residierte. Jetzt ist Rohner weg, und der unauffällige, stille de Posch steht im Mittelpunkt. Auf den smarten Schweizer Graukopf folgt die linkische Schmalzlocke aus Belgien, was nur bedingt als Überraschung gelten kann. Denn sowenig sich Guillaume de Posch ins Rampenlicht drängelte, so sehr gewann er mit dem Einstieg von US-Investor Haim Saban im August 2003 an Einfluss bei der Münchner Fernsehgruppe.

Denn Saban ernannte den 46-Jährigen schnell zum Chief Operating Officer, was alles Mögliche bedeuten konnte, von de Posch aber – wie er in einem seiner seltenen Statements gegenüber Journalisten einmal sagte – so ausgelegt wurde, dass er sich ums Geschäft kümmert, Strategien entwickelt und das Programm betreut. Also fühlte sich der Belgier eigentlich für alles verantwortlich und überließ dem nominellen Vorstandschef Urs Rohner nur das, was er selbst am wenigsten kann: das Unternehmen nach außen darzustellen.

Bei seinem rasanten Aufstieg half Guillaume de Posch vor allem der enge Draht zu Saban, der aus seiner Zeit als Programmchef des Pariser Pay-TV-Senders TPS stammt. Dort sitzt Saban im Vorstand, und angeblich ist ihm de Posch durch seine scharfen Fragen bei Verhandlungen über die Übernahme des Kirch-Konzerns aufgefallen – die Franzosen hatten zeitweilig auch mitgeboten. Trotz seiner einschlägigen Erfahrungen lässt sich de Posch entgegen manchen Presseverlautbarungen kaum als „Medienmann“ einordnen (was nur gut klingt nach dem einst branchenfremden Wirtschaftsanwalt Rohner), sondern eher als Elitebetriebswirt mit knallharten Controller-Qualitäten, der 1993 in den wirtschaftlich aufstrebenden Medienbereich wechselte. Vorher studierte de Posch an der belgischen Finanz-Kaderschmiede Solvay und an der Harvard Business School. Anschließend ging er zum französischen Energiekonzern Tractebel und zur Beraterfirma McKinsey, bevor er zum Luxemburger Medienkonzern CLT wechselte – der heutigen RTL-Group. Die Konkurrenz kennt de Posch also schon, jetzt muss er dafür sorgen, dass sie der bunten Senderfamilie ProSiebenSat.1 nicht noch weiter enteilt. JÖRG SCHALLENBERG