: Raus aus der Körnerecke mit Bio-Currywurst
„Bioland“ und eine Berliner Imbissbude wollen mit Öko-Fast-Food mehr Menschen erreichen
Der Kanzler zieht sie erwählten Delikatessen vor. Bei den Deutschen ist sie ein unangefochtener Kantinenrenner. In Berlin soll sie von großem Gewicht bei der Identitätsbildung sein. Die Rede ist von der Currywurst.
Unzählige Deutsche verzehren die fetttriefenden Wursthäppchen auf Papptellern jeden Tag. Dort verschwinden die Stücke meist unter einer dicken Schicht aus Currypulver und leckeren Mayonnaise- oder Ketschupsoßen. Zur ästhetischen Krönung sind meist kleine bunte Plastegabelchen beigegeben, die in dem glittrigen Haufen spicken. Die Currywurst ist zwar schnell zubereitet. Der Genuss ist aber umso anhaltender, denn ihr Geschmack lässt stundenlang kein bisschen nach.
Auch wenn die Currywurst im Ruch steht, süchtig zu machen – bei hartgesottenen Biokostlern dürfte der Gedanke an Currywürste bislang für tiefe Verachtung bis Ekel gesorgt haben. Denn die Imbissbudenbranche steht nicht gerade im Ruf, großen Wert auf die Qualität des Fleisches zu legen.
Das könnte sich nun vielleicht ändern. „Bundespolitiker und Berliner“, so eine Mitteilung des Ökoverbandes „Bioland“, können seit gestern in Berlin Bio-Currywürste essen. Voll öko sind auch Gewürze und Soßen. Durch die Zusammenarbeit mit der Imbissbude „Wittys“ in der Nähe des Ku’damms verspricht sich Bioland ein besseres Image für Ökoprodukte. „Wir müssen raus aus der Körnerecke“, sagt Verbandssprecher Ralf Alsfeld. Da sich Bioprodukte nach den vergangenen Lebensmittelskandalen schlechter verkaufen ließen, müsse der Markt erweitert werden. Die Menschen sollen merken, dass Bioprodukte auch schmecken können, so Alsfeld.
Das Fleisch von „Wittys“ Öko-Würsten ist nach den Regeln von „Bioland“ hergestellt. So darf das Schlachtvieh nur mit Öko-Futter ernährt werden, in dem zum Beispiel keine Pestizide enthalten sein dürfen. Tiermehl und Genfutter sind tabu. Die Tiere müssen genügend Auslauf auf Feldern haben. Nach Krankheiten gelten doppelt so lange Wartezeiten bis zur Schlachtung als in konventionellen Schlachtbetrieben.
Die Einführung der Bio-Currywurst wurde gestern auch von einem rauschebärtigen Geistlichen mit Wasser und Weihrauch unterstützt. Trotzdem ist man sich bei „Wittys“ nicht so ganz sicher, ob die Öko-Würste ankommen. Mit 2,50 Euro pro Portion ist der Preis nicht ganz leicht zu verdauen. „Wir gehen ein großes Risiko ein“, sagt Monika Richter von „Wittys“. Wegen der nun höheren Preise werde mit „Kaufzurückhaltung“ gerechnet. Nach und nach will die Imbissbude, an der große Biosiegel prangen, auch andere Ökoprodukte anbieten. Dazu gehören Brötchen, Säfte und Kaffee. „Hinter unserem Konzept steckt auch ein wenig Pioniergeist“, sagt „Wittys“-Mitarbeiter Martin Zühlke. Wenn das Konzept allerdings nicht aufgeht, dann muss die Imbissbude wohl wieder auf die gewohnte alte Currywurst zurückgreifen.
Außer dem Geistlichen leistete bei der Einführung der Currywurst auch Verbraucherministerin Künast ihren Beistand und eine Schar von Journalisten, Fotografen und Kameraleuten. Am „Wittys“-Buffet gab’s Currywurst auf Papptellern. Die Fleischstückchen lagen unter einer dicken Schicht aus Ketschup und Curry. In dem Berg steckte ein kleiner Spieß. Der Geschmack der Wurst hielt sich stundenlang im Gaumen. MARIUS ZIPPE