: Landtag gegen Castor-Transporte nach Ahaus
SPD und Grüne fordern die Bundesregierung zur Nachbesserung des Atomkonsenses auf. Nordrhein-Westfalens CDU sorgt sich dagegen mehr um Sachsens Finanzen – und beschimpft Demonstranten als „verblendete Krawallbrüder“
DÜSSELDORF taz ■ Mit den Stimmen von SPD und Grünen hat sich Nordrhein-Westfalens Landtag gestern gegen die geplanten Atomtransporte nach Ahaus ausgesprochen. Um die Atommülllieferungen aus dem ehemaligen DDR-Forschungsreaktor Rossendorf bei Dresden doch noch zu verhindern, wird die sächsische Landesregierung aufgefordert, „sich freiwillig dem erreichten Konsens zur Vermeidung sinnloser Transporte anzuschließen und die Genehmigung eines Zwischenlagers für den hochradioaktiven Atommüll zu beantragen“. In einem mit 109 Stimmen beschlossenen Änderungsantrag forderte die rot-grüne Koalition außerdem eine Änderung des Atomkonsenses auf Bundesebene: „Nicht nur für Atommüll aus Atomkraftwerken zur Stromerzeugung, sondern auch für Atommüll aus Forschungsreaktoren“ müsse eine „Pflicht zu Zwischenlagerung eingeführt“ werden. 85 Abgeordnete von CDU und FDP stimmten dagegen.
In der turbulenten Debatte warnten besonders der SPD-Abgeordnete Jürgen Jentsch und der energiepolitische Sprecher der Grünen, Rüdiger Sagel, vor den „unsinnigen und unnötigen“ Transporten. Die wegen des Mangels an Castor-Behältern nötigen 18 Einzellieferungen per Autobahn seien „unverhältnissmäßig“ und brächten „vermeidbare Risiken“, sagte NRW-Innenminister Fritz Behrens (SPD).
Der Christdemokrat Christian Weisbrich leugnete dagegen jede Gefahr und beschimpfte besorgte Bürger, die gegen die Atommülllieferungen demonstrieren, als „ideologisch verblendete Eiferer“ und „Krawallbrüder“. Nur sie allein seien dafür verantwortlich, dass NRW im Fall eines Transport geschätzte 50 Millionen Euro für Polizeieinsätze zur Sicherung der Castoren aufbringen müsse. Im Plenum des nordrhein-westfälischen Landtags sorgte sich Weisbrich vor allem um die Interessen Sachsens: die dortige Landesregierung koste der Transport nur geschätzte sieben Millionen Euro, der Bau eines Zwischenlagers in Rossendorf schlage aber mit rund 70 Millionen Euro zu Buche. Völlig verständlich sei deshalb, dass Sachsens CDU-Umweltminister Steffen Flath auf den Atommülllieferungen bestehe. Schuld an dem derzeitigen „Schlamassel“ seien die rot-grünen Regierungen in Bund und Land – die seien „zu blöd“ gewesen, eine Regelung auch für Zwischenlager zu finden. Bei den Gesprächen zum Atomkonsens hatte sich die CDU auf Bundesebene dagegen für die Interessen der Atominduistrie stark gemacht: Noch heute unterstützt auch der Ahauser CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Spahn den Atommülltourismus ins Münsterland.
Weisbrichs Forderung: NRW solle den Bau eines Zwischenlagers in Sachsen mitfinanzieren. Eine abstruse Forderung, findet nicht nur SPD-Energieminister Axel Horstmann: „Aus den anderen Forschungsreaktoren steht die vierfache Zahl von Transporten an.“ ANDREAS WYPUTTA