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Archiv-Artikel

Schon wieder ein Schlusspunkt in Argentinien

Argentiniens scheidender Präsident Eduardo Duhalde begnadigt linke Guerilleros und rechte Putschisten

BUENOS AIRES taz ■ Kurz vor Ende seiner Amtszeit am kommenden Sonntag hat der scheidende argentinische Präsident Eduardo Duhalde 20 linke Guerilleros und acht rechtsextreme Militärs begnadigt, die in Argentinien wegen bewaffneten Aufständen zu lebenslanger Haft verurteilt waren. Duhalde will damit „einen Schlussstrich unter die Vergangenheit ziehen“ und das Land „befrieden“, wie er sagte.

Unter den Freigelassenen sind auch der Berufsguerillero Enrique Gorriarán Merlo und der rechtsextreme Freischärler Mohamed Alí Seineldín. Merlo ging in die lateinamerikanische Geschichte ein, weil er nach Streifzügen durch Argentinien, Chile und Nicaragua Anfang der 80er-Jahre den nicaraguanischen Exdiktator Anastasia Somoza in Paraguay ermordet hatte. Im Gefängnis saß der Argentinier jedoch wegen seines Sturms auf die Kaserne von La Tablada in der Provinz Buenos Aires 1989. Bei dem Angriff kamen 39 Menschen ums Leben, allein 28 davon aus Merlos Guerillagruppe „Alle fürs Vaterland“ (MTP). Merlo selbst konnte flüchten, weil er beim Sturm auf die Kaserne von draußen zugeschaut hatte.

Merlo, der in den 70er-Jahren in Argentinien auch das „Revolutionäre Volksheer“ (ERP) gegründet hatte, wurde 1995 in Mexiko verhaftet und nach Argentinien ausgeliefert, wo er 1997 zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Wegen Verfahrensfehlern kritisierte die Menschenrechtskommission der Organisation Amerikanischer Staaten den Prozess. Merlo selbst trat mehrfach vergeblich in den Hungerstreik, um ein Berufungsverfahren zu erzwingen.

Der mit ihm begnadigte Anführer der rechtsextremen Carapintadas hatte es da besser. Mohamed Alí Seineldín ist bereits auf Bewährung draußen und arbeitet als Berater für eine Sicherheitsfirma. Der Anhänger der argentinischen Militärdiktatur (1976–1983) versuchte in der 80er-Jahren mehrmals gegen die erste demokratische Regierung Argentiniens nach der Diktatur zu putschen und wurde dafür zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Doch Carlos Menem, Präsident von 1989 bis 1999, begnadigte ihn zu Beginn seiner Amtszeit. Seineldín zeigte sich jedoch unverbesserlich und versuchte 1990 prompt auch gegen Menems Regierung zu putschen. Bei dem Aufstand der Carapintadas kamen 13 Menschen ums Leben, weitere 350 wurden verletzt – und Seineldín wurde wieder zu lebenslanger Haft verurteilt. Aus dem Gefängnis heraus drohte er immer wieder verschiedenen Regierungen, dass ein Putsch bevorstünde. INGO MALCHER