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Archiv-Artikel

contra Stoppt die Haltlosigkeit

Panta rhei, alles fließt, soll Heraklit geschrieben haben. Das ist theoretisch ganz schön, weil ohne Bewegung alles verkrustet. Das ist aber praktisch ganz schlecht, weil eine Gesellschaft nicht nur Bewegung, sondern auch Haltepunkte braucht. Vor allem dann, wenn wie aktuell schier alles im Fluss ist. Die Rente kippt, Jobs werden immer unsicherer und prekärer, Beziehungen immer wackeliger, und der Ruf nach Flexibilität ist immer lauter.

Was dabei wegfließt, ist eine fest verankerte Möglichkeit, innezuhalten. Zum Ende der Woche wenigstens einmal zu reflektieren, was da so alles fließt. Ohne Sonntagsruhe aber wäre der Sonntag ein Tag wie jeder andere. Es gäbe schlicht kein Wochenende mehr, nur ein sich immer drehendes Hamsterrad. Es wäre kein Tag mehr da, der rein vom Geräuschpegel anders, weil leiser wäre.

Und vor allem: Eine Gesellschaft, die kinderfreundlicher werden will, kann ihre Bemühungen dazu ohne einen wirklichen Sonntag von vornherein in die Tonne kloppen. „Für ein kindergerechtes Deutschland“ heißt eine entsprechende Initiative der Bundesregierung. Wer aber Zeit für Kinder will, der muss auch sicherstellen, dass Mama oder Papa tatsächlich freihat, wenn die Kinder wochenends nicht in der Kita oder in der Schule sind.

Wo wäre denn überhaupt der Gewinn einer generellen Sonntagsöffnung: Stress vermeiden? Einkaufen lässt sich auch derzeit schon abends bis in die Puppen. Mehr Jobs schaffen? Die Verkäuferinnen im Supermarkt um die Ecke klagen bereits jetzt, sie müssten die ausgedehnten Öffnungszeiten mit der gleichen Personaldecke tragen. Mehr Einnahmen als Konjunkturschub? Was das große Shoppingcenter am Sonntag zusätzlich verdient, geht dem Kleinbetrieb unter der Woche verloren.

Eine klare Sache – eigentlich. Doch die Lobbyisten des Handels werden weiter auf eine Lockerung drängen. Da gibt es nur eins: Heraklits Zitat von oben Ovid entgegensetzen: Principiis obsta! Wehret den Anfängen! STEFAN ALBERTI